Alexander
der dünnen Decke abzeichneten. Da er kein Schweigen ertrug, fragte er schließlich noch einmal: »Bewegt er sich nun?« Er legte sein Gesicht auf das Kissen des Kleitos, so daß sein Haar neben Kleitos Wange zu liegen kam. »Du störst mich sehr«, sagte Kleitos, ohne ihn anzuschauen.
Unter dieser unbarmherzigen Antwort fuhr Alexander wie unter einem Richtspruch zusammen. Er wußte, daß in diesem Augenblick eine Entscheidung für sein Leben gesprochen worden war. Er glaubte weinen zu dürfen, aber er zitterte nur. Nun wagte er es nicht einmal mehr, den anderen um einen Zipfel seiner Decke zu bitten.
Plötzlich, die Stimme voll Jubel, rief Kleitos: »Sie bewegen sich – oh!« Er erzählte hastig, mit glückstrahlenden Augen: »Ich habe nämlich inzwischen zweie aufs Korn genommen! Wenn sie zusammenstoßen, wird es eine Katastrophe geben! Ich freue mich schon – bums!! Jetzt hat es aber gekracht –« Er verstummte erschüttert. Wie nach großer Anstrengung schloß er die Augen.
Alexander blieb, wenngleich das natürlichste Würdegefühl forderte, daß er ginge. Sich zu rühren, wagte er nicht mehr, aus Angst, den unerbittlich Schweigenden in seinen Abenteuern zu stören. Er fühlte sich von diesem strengen Träumenden weiter als von einem anderen Stern getrennt. Trotzdem blieb er, er fand die Kraft zum Gehen nicht mehr. Daß jetzt schon alles gleich sei, war sein letzter Gedanke. Freilich wagte er es nicht noch einmal, dem Blick des Kleitos zu begegnen. So begrub er sein Gesicht in den Händen. –
Von dieser Nacht an, in der Kleitos das entscheidende und nicht mehr gutzumachende Wort gesprochen hatte, war es mit dem schwierigen Freundschaftsbund der drei zu Ende. Es war Kleitos, der ausschied.
Alexander veränderte sich schnell. Es war, als holte er sich Kraft aus seiner schmerzlichsten Niederlage. Er wurde selbstbewußter, schöner, härter und elastischer. Nur Hephaistion sah ihn noch weich. Der verstand alles, ohne daß Alexander erzählt hätte. Er war der einzige, in dessen Armen dem Prinzen Alexander das Glück zuteil wurde, weinen zu dürfen.
Ein paar Wochen später war Alexander mit einem Schlage der gefeierte Liebling des Hofes und Mazedoniens. Er hatte seine erste Heldentat vollbracht, indem er, der eben Dreizehnjährige, den jungen und gefährlichen Hengst Bukephalos bezwang.
Da ein allgemeines Gemunkel und Gerede über die schreckliche Wildheit des thessalischen Rosses war, welches, vor seinem eigenen Schatten scheuend, bisher jeden abgeworfen hatte, und sich auch der Kühnste weigerte, es einzureiten, sprang der Knabe auf seinen ungesattelten Rücken. Der Druck seiner Schenkel war so unvergleichlich stark, seine Faust packte so liebevoll und siegesgewiß zu, daß das junge Tier, nachdem es sich kurz aufgebäumt hatte, lustig zu tänzeln, schließlich ruhig zu traben begann.
Das erstemal flatterten Blumen und Bänder um das junge Gesicht des Alexander; das erstemal huldigten ihm die Soldaten. Sie schrien: »Rossebezwinger! Männerbeherrscher!« Er lachte selig verwirrt im Vorüberreiten. Die ganze Hauptstadt redete seinen Namen. Plötzlich fand man auch, wie schön er sei. »Er hat den Bukephalos, den Wilden, bezwungen und ist dreizehn Jahre, der Schöne!« riefen die Weiber sich zu; und die Männer dachten an Mazedoniens Zukunft. Man erzählte sich, daß König Philipp vor Glück geweint haben sollte.
Unter den Winkenden stand Hephaistion, mit verklärten Augen. Aber abseits, im Hintergrund, Kleitos, ihn entdeckte Alexander gleich in der wogenden Menge. Er stand nachlässig da, den Bauch etwas vorgestreckt, mit hängenden Armen. Es schien, daß er lächelte, aber man wußte nicht, wie.
Auf seinem Bukephalos Alexander, dem die Menge um seiner Anmut willen zujubelte, empfand sich plötzlich als unschön und plump, inmitten seines Triumphes.
II
Dem Aristoteles, der als Pädagoge nach Pella kam, ging ein großer Ruf aus Griechenland voraus. Um so angenehmer berührte es, in ihm einen vollendeten Hofmann zu finden, er hatte immer das passende Lächeln und das verbindliche Wort. Man wußte, daß er schon an verschiedenen Fürstenhöfen tätig gewesen war; sein Vater, Nikomachos aus Stagiros, sogar schon am Hofe zu Pella, und zwar als Leibarzt des mazedonischen Königs Amyntas.
Philipp selber machte ihn mit seinem Sohne bekannt. Er tat es auf eine umständliche, sogar etwas verlegene Art: »Dein neuer Mentor, mein Kind«, wobei er unangebracht lachte. Dem Aristoteles gegenüber erwähnte er
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