Grappa 07 - Killt Grappa
Geld und Blut
Der Mord an Dr. Oktavio Grid hatte alle Aussichten, der Medienschlager des Jahres zu werden. Der Tote war ein gut aussehender Mann in den sogenannten mittleren Jahren, hatte ein heiteres, joviales Wesen und eine überaus charmante Art, sein Geld öffentlichkeitswirksam unter die Leute zu bringen.
Ich kannte den Mediziner nur von Fotos in einschlägigen Magazinen; die Kreise, in denen Grid verkehrte, waren mir fremd. Seine Frau, eine ehemals berühmte Zeitschriftenschönheit, hatte ihre Karriere aufgegeben, als der Märchenprinz im weißen Porsche erschien. Er hatte ein Faible für schnelle fahrbare Untersätze und schöne Frauen.
Grid wurde an einem lauen Herbstmorgen von einer Else A. gefunden. Nur mit viel Überredungskunst konnte ich den Staatsanwalt dazu bringen, die Identität der Frau ein wenig zu lüften. »Sie ist die Hausdame der Grids«, näselte der Chefermittler, »sie kam gegen 10 Uhr, öffnete das Schlafzimmer und sah die Schweinerei. Alles war voller Blut.«
Ich schluckte und ersparte mir weitere Fragen. Von Nik Kodil, einem Bekannten von der Mordkommission, würde ich Einzelheiten über die Tat erfahren. Eigentlich hasse ich Storys mit viel Blut, aber Job ist Job.
Der Staatsanwalt teilte mir den Termin der Pressekonferenz mit. Meine Uhr sagte mir, dass ich bereits in zwei Stunden los musste. Ziemlich knapp, um vorher noch eigene Recherchen anzustellen.
»Was dagegen, wenn ich den Fall betreue?«, fragte ich Peter Jansen, den Chef vom Dienst der Zeitung, bei der ich arbeite.
Er schüttelte den Kopf, ohne die Augen vom Bildschirm zu erheben. »Mach nur, Grappa«, murmelte er, »60 bis 100 Zeilen auf der Eins. Gibt die Polizei Bilder raus?«
»Kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete ich, griff nach dem vollen Becher Kaffee, der links neben Jansen stand, und nahm einen Schluck. »Das tut gut!«
»Und warum glaubst du, dass es keine Fotos gibt?«, blieb Jansen beim Thema.
»Das Schlafzimmer ist voller Blut. Das ist nix für unser biederes Blatt. RTL und SAT 1 sind bestimmt schon da, um zu fensterln. Ich werde die Szenerie in meinem Artikel beschreiben. Nichts ist grauenvoller, als der Fantasie des Lesers Gelegenheit zu geben, sich frei zu entwickeln.«
»Und woher weißt du das schon wieder? Das mit dem Blut?«
»Vom Staatsanwalt«, erklärte ich.
»Ist das der junge Mann, der manchmal bei dir übernachtet?«
Überrascht schaute ich hoch. Ich hatte nie ein Wort erwähnt. »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Jansen grinste. »Entschuldige, ich hatte vergessen, dass du den Männern ein für alle Mal abgeschworen hast.«
»Du sagst es, Peter! Ich habe in den letzten Monaten nur eklige Machos kennengelernt. Aber ich werde es dich wissen lassen, falls ich meine Meinung ändere. Zufrieden?«
Jansens Grinsen hatte sich noch vertieft.
»Ich guck jetzt in unserem Fotoarchiv nach«, wechselte ich das Thema. »Dr. Grid war schließlich nicht irgendein Penner, sondern ein herausragender Vertreter des Bierstädter Geldadels. Mal schauen, was ich finde.«
Ich schlurfte den Flur entlang, um die düstere Kammer zu erreichen, in der Tausende von Schwarzweißfotos vor sich hin gilbten. Dort was zu finden erforderte kriminalistischen Spürsinn. Im Zeitalter der Computer war dieses Archiv eine anachronistische Lachnummer!
Die Tür knarrte, als ich sie aufstieß. Die Luft hier drinnen war eine Mischung aus Staub und den muffig-scharfen Rückständen von Fotosäuren. Ich stürzte zu dem kleinen Fenster und riss es auf.
Wo sollte ich nachschauen? Unter »G« wie Grid, unter »Medizin« oder unter »Pferdesport«? Zuerst fand ich das Sportarchiv. Galopprennen. Grid besaß ein Rennpferd, das ihm erkleckliche Summen ins Haus gestrampelt hatte. Da war das Foto nach dem letzten Sieg. Das Rennen war nach einer Benzinfirma benannt, Hengst Orlando hatte die 100.000 Schleifen Preisgeld ohne Mühe reingeholt. Der Vierbeiner hatte einen Kranz um den Hals, auf dem Pferd thronte der Jockey, und daneben strahlte Besitzer Dr. Oktavio Grid. Ein Schnappschuss aus dem prallen Leben eines reichen Mannes.
Ich blätterte weiter, doch da war nichts mehr. Erst im Personenarchiv wurde ich wieder fündig; ein sechsspaltiges Foto zeigte Grid und seine Frau. Die beiden hatten im Auftrag des Rotary-Klubs einen Scheck an eine Behinderteneinrichtung zu übergeben. Ich trat mit dem Bild in der Hand ans Sonnenlicht.
Grid war groß, nicht dick, sondern eher schwer. Sein Lachen war breit und offen, die gelichteten
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