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Alexander

Alexander

Titel: Alexander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Mann
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zornigen Flügeln, er hatte die Hände an seine großen, innerlich weißbehaarten Ohren gelegt. »Oh, dieser geheimnistuerische alte Schwindler! Sein verabscheuungswürdiger Mangel an Exaktheit, den man leider für Tiefe nahm, hat wahrlich schon zu viele ruiniert. Hüten Sie sich, Prinz Alexander! Wissen Sie nicht, daß Meister Plato gegen Ende, unter dem Einfluß der Zahlenmystik, zugegebenermaßen spleenig war?«
    Seine Erregung legte sich lange nicht. Schmerzbewegt, aber grausam verspottete er den Versuch seines großen Lehrers, die Ideenlehre mit den mystisch-orphischen Offenbarungen des verhaßten Pythagoras zu vereinigen. Er nannte diesen den Anti-Griechen und einen unmoralischen Verführer der Geister. Gegen die Lehre von der Seelenwanderung, der Metempsychose, von der Präexistenz und vom Sündenfall, behauptete er, müsse sich jedes intellektuelle Gewissen empören. Seines empörte sich derart, daß er stampfte und schrie.
    Darüber lächelte Alexander. Er schwieg höflich, aber er dachte im stillen, daß noch das wenige, was er aus der Geheimlehre des umgetriebenen Pythagoras wußte, ihn mehr verlockte und anzog als das ganze klare und übersichtlich weise System seines schimpfenden Mentors, des Aristoteles.
    Der verwahrte sich, immer noch grollend, als habe man ihn persönlich beleidigt, gegen die Vorstellung einer persönlichen Unsterblichkeit. »All das sind unbelegte Faseleien«, schloß er gehässig, »was bleibt, ist nichts als das Unteilbare in uns, der Geist, den ich Nous nenne. Dieser aber empfindet nichts mehr, er ist durchaus unpersönlich.«
    Schließlich war er bei Speusippos, der als Nachfolger Platos die Akademie leitete und den er den ›kleinen Neffen des erhabenen Toten‹ nannte. »Der hat sich ja nun dieser pseudoägyptischen Dunkelheit endgültig und unrettbar ergeben«, konstatierte er bitter, doch triumphierend.
    Wenn er auf den armen Speusippos und den jetzigen Zustand der Akademie zu sprechen kam, wurde er gleich besonders giftig; er erwähnte dann gerne die unvergleichlich interessantere Schule, die er selber gründen wolle. Bei solchen Gelegenheiten wandte Alexander, plötzlich gelangweilt, den Blick. Dieser war wieder nur der ehrgeizige Alte, der sich mit dem faden Hofmannslächeln vor König Philipp verneigte. –
    Sie saßen, und sie lustwandelten. Es waren auf den schönen Gartenwegen Sonnenfleckchen, die Alexander lustig fand. Sie bewegten sich mit dem im Wind sich bewegenden Laub.
    Den Sonnenfleckchen zulächelnd, bat der Prinz beinahe zärtlich: »Erzählen Sie mir von den letzten Dingen!«
    »Das letzte Ding ist der Geist«, behauptete der Philosoph hartnäckig. Und Alexander, mit einer Schelmerei, die seinem Lehrer angst und bange machte: »So erzählen Sie mir, Meister, vom Geiste.«
    Sie setzten sich, denn Aristoteles ermüdete leicht. Die Steinbank war kühl, im Baume über ihnen sangen Vögel. Alexander hörte, was er schon oft gehört hatte und was ihn im alleräußersten Grade immer wieder interessierte, freilich nie völlig befriedigte: des Aristoteles Lehre vom Nous, vom unbewegten Prinzip, das aller Bewegung ursprünglichster und geheimster Anfang und Anstoß war. »Jenes vollkommene Sein, das nur denkt, und zwar nur sich selbst, als den einzigen seiner selbst würdigen Gegenstand.« Er trug mit einer gewissen trockenen Schwärmerei vor, hingerissen von der Idee, die er entwickelte, aber noch im Enthusiasmus pedantisch.
    Alexander, der mit einer Konzentration, die seinen Blick verfinsterte, zuhörte, überlegte ununterbrochen: was ihm hier fehle. »Was genügt mir hier nicht?« dachte er inständig, während er lauschte.
    Lange Vormittage im Garten voll komplizierten Gesprächs. Der einteilende, ordnende und sichtende Verstand des Alten warb mit einer Ausdauer, die nur aus Liebe kommt, um die ungenügsame Seele des Jungen, die sich nirgends beruhigte und ins Grenzenlose wollte.
    Es blieb kein Gebiet, das sie unberührt ließen. Überall gab es Probleme, aber alle waren zu lösen. In dem Munde des Gelehrten wurde alles zum Schema.
    Er erklärte das Wesen der Materie, die sich aus vier Elementen zusammensetzte, deren fünftes der Äther war. Aus diesem waren die Gestirne gebildet. Etwas ungenauer wurde er, da es zu der Stellung der Erde im Raume kam. Im Gegensatz zu Pythagoras, der es anders wußte, betrachtete er die Erde als feststehend, ebenso die Sterne und Planeten, auch die Sonne, die ihrerseits an einer Hohlkugel befestigt waren, welche sich drehte. Er

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