All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
sie bei St. Paul’s verabredet. Ich ging also kurz vor neun hin. Und da war sie. Ich hab die Glockenschläge abgewartet und dann geschossen. Ganz schön schlau, was?« Wieder wollte sie ihn mit diesem selbstgefälligen Grinsen auf ihre Cleverness aufmerksam machen.
»Stimmt.« Jury war ziemlich elend zumute.
»Die Waffe hab ich dort gelassen. Ich dachte mir, das deutet dann auf DeeDee, und weil es die gleiche war, mit der auch Kate umgebracht wurde, würde die Polizei annehmen, DeeDee Small wär’s gewesen. Hätte erst Kate umgebracht und dann sich selber erschossen. Nicht schlecht kombiniert, was?«
»Sehr clever. Nur dass die Schusswunde so lag, dass es schwierig gewesen wäre, die Waffe auf sich selber zu richten.« Der Schuss war nach hinten losgegangen, der Plan fehlgeschlagen, in mehr als einer Hinsicht. Das sagte er aber nicht.
»Oh.« Sie seufzte. »Ich wollte nach Chesham, unter irgendeinem Vorwand ihren Freund treffen, bloß um zu sehen, was das
für einer war, den Stacy lieber wollte als mich. Aber ich musste natürlich Abstand halten von Chesham und Chris.« Als wäre der Gedanke abwegig, als wäre es ihr gerade eben so eingefallen, fragte sie dann: »Woher wussten Sie, dass ich es war?«
»Wegen der Schuhe.«
Verstört schaute sie auf ihre großen Pantoffeln hinunter, als wären die es gewesen, die sie verpfiffen hatten.
Alle miteinander, dachte er. Diese ganze Faszination, die von Jimmy Choo ausging, von Louboutin und Manolo Blahnik. »Rote Sohlen.«
Rosie wunderte sich, dass dieser Bulle sich offenbar mit Louboutin auskannte. »Sie meinen die, die ich bei unserer Verabredung getragen habe?«
Unsere Verabredung. Es war, als zöge sich Rosie immer mehr aus der Erwachsenenwelt im Hier und Heute in eine Vergangenheit aus Verabredungen und flauschigen Pantoffeln zurück. Bestimmt fiel es ihr schwer, die Figur der heiß-erotischen Frau im Cigar darin einzubauen. Hier fiel sie nun, dachte er traurig, direkt vor seinen Augen in sich zusammen.
»Es war Ihre Bemerkung über Manolo Blahnik, erinnern Sie sich? Ob ich glaubte, Sie würden in Ihren Manolos losrennen und Stacy Storm erschießen? Der einzige Mensch, der Ihnen von dem vermeintlichen Absatzabdruck hätte erzählen können, ist Chris Cummins. Außer der Polizei ist sie die Einzige, die davon wusste.«
»Das war nicht besonders schlau von mir.« Sie sah wieder auf ihre Füße.
»Wie haben Sie miteinander kommuniziert?«
»Mit diesen Wegwerf-Handys.« Sie schaute ihn an, als wüsste er nicht, worum es sich handelte. »Da kann man die Anrufe nicht zurückverfolgen.«
Er nickte. »Rosie …« Ihr Gesicht wirkte ganz klein und verkniffen. »Sie werden jetzt mitkommen müssen.« Jury wurde noch elender zumute, was eigentlich unangebracht war, denn immerhin hatte sie kaltblütig zwei Menschen erschossen.
Und doch nicht kalt, oder? Für sie, vermutlich mehr noch als für Chris Cummins, war es eine Art Gesellschaftsspiel gewesen, und seine Anwesenheit hier war der letzte Zug. Was sie nun sagte, bestätigte seine Einschätzung.
»Muss ich ja wohl. Sieht so aus, als hätte ich verloren.« Sie stand auf. »Ich muss mich umziehen.«
Er wusste, dass er sie eigentlich nicht aus den Augen lassen sollte. Doch es war ein Stadthaus, die Wohnung lag im zweiten Stock, abgesehen von der Tür gab es keinen weiteren Ausgang, außer sie hatte vor, sich aus dem Schlafzimmerfenster zu stürzen. Dass sie das tun würde, bezweifelte er.
Solange sie weg war, sah Jury sich im Zimmer um, dessen Details ihm jetzt besser einleuchteten: die auf dem Bogenregal zwischen den Büchern aufgestellten Beatrix Potter-Figürchen, die Paddingtonbär-Lampe, die Muschelsammlung – Dinge aus der Kindheit. Die hohe Zimmerdecke, die großen Fenster und die behaglichen Bücherregale verliehen dem Raum einen gewissen Schick, eine Eleganz, die sie jedoch mit diesem naiven Flair überlagert hatte.
Als sie hereinkam, war sie erneut in die Frau verwandelt, die ihn im Cigar so verblüfft hatte. Ihre Aufmachung, blauer Pullover mit Schalkragen und schwarzer Bleistiftrock, war nicht so eng anliegend wie das Kleid, das sie damals getragen hatte, aber immer noch aufregend. Sie hatte sich dezent geschminkt und die Hauspantoffeln gegen braunschwarz bebänderte turmhohe Highheels vertauscht.
Sie schwang sich den Riemen eines Handtäschchens über die Schulter, das farblich zu den Schuhen passte. »Von wem sind die Schuhe, Rosie?«
»Von Valentino. Gefallen sie Ihnen?« Sie streckte ihm einen
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