All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
auf. »Una sagt, sie war seit etwa drei Jahren bei ihr. Es ist allerdings nicht ihr regulärer Job, tagsüber arbeitet sie als Stenotypistin.«
»Wer war ihr Kunde gestern Abend?«
»Laut Una war für Kate keiner eingetragen.«
»Das ist aber sehr ungewöhnlich, schließlich war sie der Star der Agentur. Sie war also entweder mit keinem Kunden zusammen oder hatte nebenher etwas laufen. Der Kleidung und dem Geld nach würde ich eher auf Zweiteres tippen. Wie bei Stacy. Und Ms. Upshur, möchte ich wetten, hat ebenfalls keine Namen herausgerückt.«
Wiggins rührte in seinem Tee. »›Meinen Kunden wurde absolute Vertraulichkeit zugesichert.‹«
»Bis zu dem Tag, wenn Una es mit ein bisschen Erpressung versuchen will. Besorgen Sie sich einen Durchsuchungsbefehl.«
»Das dürfte aber nicht so einfach sein. Es besteht ja kein hinreichender Tatverdacht.«
»Ich pfeif drauf. Sie war mit einem Kunden der Agentur zusammen. Selbst wenn Kate sich mit dem Burschen klammheimlich getroffen hat, müsste er in der King’s Road Dingsda-Liste geführt sein.«
»Companions. Übrigens stellte Una gleich klar, dass es bei ihrem Etablissement nicht um Sex ging.«
Jury prustete ungläubig. »Worum, wenn ich fragen darf, geht es denn dann?«
»Wie der Name sagt. Companions – um Gesellschaft.«
»Klar doch.«
»Ist doch möglich. Ich meine, könnte doch sein, dass manche Typen bloß das wollen, Boss.«
Boss! In letzter Zeit benutzte Wiggins diese etwas gereizte Form der Anrede. Außerdem tat er seine Meinung öfter als gewöhnlich kund. Und guckte öfter skeptisch. Und grübelte mehr. »Wo bleibt denn Ihre leutselige Art, Wiggins?«
Da: Wiggins guckte skeptisch. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Dass Sie sich immer mehr nach einem Cop anhören. Mehr in der Richtung Heißer Verdacht .«
»Den spielt aber eine Frau, Helen Mirren.«
»Mir ist klar, dass Helen Mirren eine Frau ist. Ihr Team sagt aber trotzdem ›Chef‹ oder ›Boss‹ zu ihr.«
»Das machen wir eben so, Chef. Stimmt was nicht damit?«
»Nein, schon gut. Bloß hören Sie sich dann eher so an, als wären Sie auf unserer Seite.«
Wiggins guckte noch skeptischer. »Aber … auf wessen Seite sollte ich denn sein, wenn nicht auf unserer?«
»Auf der anderen Seite. Verdammt, auf Seite all derer, die sich mit unsereinem herumschlagen müssen. Wie gesagt, womöglich geht Ihnen ja immer mehr diese leutselige Art ab.«
Jetzt wurde Wiggins grüblerisch. »Leutselige Art? Ich kann Ihnen wirklich nicht ganz folgen.« Er schüttelte den Kopf, als hätte gerade ein Kind gesprochen. »Ich verstehe nicht so recht, was Sie meinen.«
Jury lächelte. »Ich weiß. Und eben darum können Sie ja so gut mit den Leuten. Kommen Sie.« Er war aufgestanden und nahm seinen Mantel vom Garderobenständer. »Dann wollen wir mal sehen, was wir der guten Una sonst noch aus der Nase ziehen können.«
King’s Road Companions residierte in einem gediegenen Stadthaus gleich in der Nähe der King’s Road in Chelsea. Der Empfangsbereich war ebenso gediegen und edel eingerichtet – italienisches Leder, Seidendamastgardinen, die Wände übersät mit ziemlich berückenden Fotografien der, wie anzunehmen war, in der Agentur geführten Mädchen.
»Schrecklich, was für eine Tragödie.« Una Upshur beugte sich über ihren Schreibtisch nach vorn. Das feine Holz wirkte warm, fast weich, als würde es nachgeben, wenn man mit den Fingern darauf drückte. Mehr nachgeben jedenfalls, dachte Jury, als Mrs. Upshur es bisher getan hatte. Sie wirkte knallhart, als wäre ihre Vorderseite nicht mit fein gesponnener grauer Wolle bedeckt, sondern mit einer Panzerplatte.
Ihr unruhiger Blick glitt immer wieder zu Wiggins hinüber, der den ihm zugewiesenen Stuhl inzwischen verlassen hatte, im Raum umherging und dabei angelegentlich die Fotowand begutachtete.
»Zu meinem Sergeanten, Ms. Upshur, sagten Sie, Kate Banks sei gestern Abend nicht mit einem Kunden der Agentur zusammen gewesen.«
»Ganz recht. Hier, sehen Sie selbst …« Sie drehte das beim fraglichen Tag – oder Abend – aufgeschlagene Terminbuch für Jury herum.
Der einen kurzen Blick darauf warf und gleich wieder wegsah, da Wiggins dieses Territorium bereits beackert hatte. »Sie verkaufen Sex.«
Als erstaunte sie diese Feststellung, sank sie zurück auf ihren weichen Lederstuhl. »Das tun wir ganz sicher nicht! Diese jungen Frauen begleiten die Herren nur – auf eine Gesellschaftsparty, in eine Kunstgalerie, zu einer Theaterpremiere
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