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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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Begriffssystem, mit dessen Hilfe sich die Menschen die Gesellschaft vorstellen, deren Mitglieder sie sind, und die dunklen, aber engen Beziehungen, die sie mit ihr haben.
    Emile Dürkheim

    Im Mai 1988 hielt ich einen Vortrag anläßlich einer Tagung des Gemeinschaftswerks evangelischer Publizistik. Ich tat meine Überzeugung kund, daß die Kirchensprache nicht nur eine Männersprache ist, sondern eine Extremform, sozusagen eine Machooder Herrensprache. Ich rede seit gut neun Jahren landauf, landab zum Thema »Spiel- und Abarten der Männersprache«. Vieles scheint mir daher inzwischen geradezu banal und selbstverständlich — um so überraschter war ich, daß diesmal ein großer Teil des Publikums befremdet bis entrüstet war. Als mitten während meiner Ausführungen zum Abendessen gerufen wurde, hieß es aus dem Publikum, ach nein, danke, der Appetit ist uns sowieso vergangen.

    Was hatte ich nun so Böses gesagt? Ich hatte erklärt, daß es das Kennzeichen der diversen Männersprachen auf unserem Planeten ist, daß sie Mensch und Mann gleichsetzen. In vielen Sprachen sind deshalb die Bezeichnungen für Mann und Mensch dieselben, so etwa homme im Französischen, man im Englischen usw. Die Frau gehört nach diesem Denken einer anderen, d.h. nichtmenschlichen Spezies an, ähnlich wie die Hunde. Auch die Kirche [und daher auch die Kirchensprache] geht davon aus, daß die Frau nicht zu den Menschen gehört. In unserer »protestantischen Nationalhymne«, Luthers Ein feste Burg ist unser Gott, heißt es: »Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr’, Kind und Weib, laß fahren dahin, sie haben’s kein Gewinn, das Reich muß uns doch bleiben.«
    Wer ist gemeint mit uns, wem »muß das Reich doch bleiben«?? Offenbar ist das ein Lied für einen Männergesangverein, genau wie Matthias Claudius’ Der Mond ist auf gegangen : »So legt euch denn, ihr Brüder , in Gottes Namen nieder.«

    Ich hatte mir also erlaubt, auf diese altbekannten Fakten hinzuweisen, und fuhr dann fort: Halten wir also fest, daß auch für die christliche Kirche die Frau einer anderen Spezies angehört, meist auf einer Stufe mit Seinem, des Mannes , Acker und Vieh. Nehmen wir also an, die Frau werde etwa wie ein Hund angesehen. Was die Hunde und ihre Beziehungen zu den Menschen betrifft, so gibt es da die Hundeliebhaber, daneben solche, denen die Hunde einfach gleichgültig sind, und schließlich die Hundehasser. Mit letzteren nun ist die Kirche zu vergleichen. Ein so abgründiger Frauenhaß, wie er sonst selten ist — nachzulesen besonders bei den Kirchenvätern, die dann anderen Modell standen, so daß oftmals aus ursprünglichen Liebhabern oder Gleichgültigen fanatische Hasser wurden. Immerhin geht die dreihundertjährige Massen-vernichtung der sogenannten Hexen auf das Konto der Kirche, und bis heute ist — meines Wissens — von den Kirchen kein öffentliches Schuldbekenntnis abgelegt worden. Bis heute hat es keine Rückerstattung der geraubten Güter gegeben.

    Ich hatte meinen Vortrag mit einem Überblick über meine ganz persönliche Beziehung zur Kirche begonnen und frisch draufloserzählt: Bis weit ins 19. Jahrhundert zurück sind meine Vorfahren protestantische Pfarrer gewesen. Mein Urgroßvater war Pfarrer, meine Urgroßmutter Hausfrau und Mutter. Mein Großvater war Missionar, meine Großmutter Hausfrau und Mutter. Mein Vater war Pfarrer, meine Mutter Sekretärin, Hausfrau und Mutter. Ich bin Professorin für Sprachwissenschaft, nicht verheiratet und aus der Kirche ausgetreten — und ich glaube, der Unterschied zwischen meinem Lebenslauf und den Lebensläufen meiner im Dienst an der Kirche und ihren Eheherren verbrauchten Vorfahrinnen ist nicht etwa zufällig. Mit anderen Worten: Wenn eine Frau sich emanzipieren will, so sind ihre Chancen innerhalb der Kirche höchst gering.
    Ich bin aus der Kirche ausgetreten, weil ich die Vorstellung absurd finde, daß eine rein männliche Dreifaltigkeit göttlichen Ursprungs sein soll. Es kann sich da nur um eine Erfindung von Männern handeln, sonst gäbe es in diesem Glaubenssystem mehr und vor allem bessere Plätze für Frauen. Meine religiösen Bedürfnisse sind seither frustriert — auch Ausflüge in »esoterische« Gefilde ergaben immer wieder dasselbe: Erfindungen von Männern, denn bei aller Esoterik war das Machtgefälle, auch im esoterischen Jenseits, fast immer dasselbe wie auf Erden. Und so möchte ich denn mit einer leichten Korrektur der tiefen Erkenntnis Dürkheims schließen:

    [Die

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