Alle muessen sterben
die er mit Hilfe seiner starken Lampe und seines selbst geknüpften Netzes bereits gefangen hatte.
Georg war schon immer gerne in der Dunkelheit über den See gerudert, obwohl ihn die Leute für verrückt oder zumindest für ein wenig seltsam hielten, aber er scherte sich nicht um die Meinung anderer. In den dunklen Nächten auf dem schwarzen See wurde er nicht mit seiner Schlaflosigkeit konfrontiert und den düsteren Gedanken, die sich zwangsläufig dabei einstellten. Auf dem Wasser konnte er sich ausschließlich auf die Fische konzentrieren, die von dem hellen Schein seiner Lampe angelockt wurden und sich in seinem engmaschigen Netz verstrickten.
In der Zwischenzeit hatte das hölzerne Segelboot den Yachthafen verlassen und trieb auf den See hinaus. Wäre sein Fischerboot jetzt in der Nähe gewesen, dann hätte Georg unschwer erkannt, dass ein Ruderboot es hinausgeschleppt hatte. In dem Ruderboot hätte er eine dunkel gekleidete Gestalt gesehen, die konzentriert das Geschehen filmte. Doch Georg war noch einige hundert Meter von dem Segelboot entfernt und ahnte nichts.
Neben sich auf der regennassen Ruderbank, unter einer Plastiktüte lag das gebrauchte Smartphone, das ihm sein Enkel zum Geburtstag geschenkt hatte. Obwohl er sich immer gegen die neumodische Technik gesträubt hatte, musste er zugeben, dass ihn die Möglichkeiten des Smartphones faszinierten. Besonders die Kamerafunktion gefiel ihm und er nahm sich vor, den direkt an den Traunsee grenzenden Berg, den Traunstein, zu fotografieren, wenn der Regen aufhören und der Mond hinter den Wolken hervorkommen würde.
Jetzt hatte er den MP3-Player des Smartphones aktiviert und klassische Musik klang leicht verzerrt aus dem kleinen Lautsprecher. In einer Anglerzeitung hatte er gelesen, dass klassische Musik Fische magisch anzieht. Deshalb hatte er sich auch vom Besitzer eines Elektrogeschäftes die Brandenburgischen Konzerte auf sein Smartphone laden lassen und nach einigem Hin und Her konnte er sie auf dem Gerät abspielen. Das leise Tuckern des Elektromotors, der an dem Segelboot befestigt war und der jetzt gestartet wurde, drang nicht zu ihm durch.
Noch konnte er auch die seltsame Fracht nicht sehen, die sich an Bord des Segelbootes befand und selbst wenn er das Boot jetzt entdeckt hätte, so wäre ihm doch die langsam und präzise abbrennende Zündschnur verborgen geblieben, die vom Heck des Bootes bis zum Mast knapp unterhalb der Reling verlegt worden war und in einer grünen, mit Benzin gefüllten Weinflasche endete, die zwischen den Füßen eines Mannes stand und mit einem schmutzigen, nach Benzin stinkenden Lappen verstopft war. Die Füße waren nackt und mit Schnitten übersät, aus denen Blut tropfte. Der nackte Oberkörper war völlig zerschnitten und die Haut mit den blutigen Wunden sah aus, als hätte der Mann sich gegeißelt.
Plötzlich wurde die klassische Musik von einem merkwürdigen Störgeräusch überlagert. Irritiert hob Georg die Lampe und ließ das helle Licht über den schwarzen See kreisen. In dem starken Strahl entdeckte er plötzlich ein Segelboot, das, von einem elektrischen Außenbordmotor angetrieben, direkt auf ihn zusteuerte. Jetzt entdeckte er die Gestalt, die vorne am Mast lehnte und heftig mit dem Kopf hin und her ruckte, ohne ein Wort zu sagen, und keinerlei Anstalten machte, den Kurs zu ändern.
Wütend stand er auf, schwenkte seine Lampe in der Luft, signalisierte der Gestalt auf dem Segelboot, dass sie auf Kollisionskurs wären. Doch das Boot hielt unbeirrt auf ihn zu und nun überfiel Georg die Panik, denn er hatte keine Schwimmweste an Bord und wusste, dass ein Sturz in das auch im Sommer eiskalte Wasser fatale Folgen haben könnte. Hektisch griff er nach den Rudern und versuchte fluchend dem Segelboot auszuweichen. Hinter dem Segelboot glaubte er ein zweites Boot zu erkennen, aber er war zu sehr mit dem Rudern beschäftigt, um genauer hinzusehen oder sich darum zu kümmern.
Genau in dem Moment, als er sein Boot aus dem Gefahrenbereich manövriert hatte, war die Zündschnur auf dem Segelboot abgebrannt. Die kleine bläuliche Flamme erreichte den schmierigen Lappen und eine grelle Stichflamme erhellte die Nacht. Mit einem lauten Knall explodierte die mit Benzin gefüllte grüne Flasche zu Füßen des Mannes, der wie ein Feuerball aufglühte und sofort in Flammen stand. Sein Brustkorb hob und senkte sich hektisch, das Blut, das aus seinen zahlreichen Wunden tropfte, glänzte im Feuer und glitzerte wie kostbare
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