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Alle muessen sterben

Alle muessen sterben

Titel: Alle muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. C. Schiller
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Unwesen trieben. So hörte er auch nicht, dass sich beim „Hafenstern“ die Tür öffnete und ein Mann mit leicht wackeligen Schritten die Treppe nach unten stieg. Unter dem Vordach blieb der Mann stehen, fuhr sich mit beiden Händen durch die dunklen Haare und hob plötzlich den Kopf, als würde er eine Gefahr wittern. Doch es war nur das Klingeln seines Handys, das ihn an einen Termin erinnerte. Er griff in die Tasche seines Sakkos, zog es heraus, drückte eine Taste und wartete angestrengt, mit dem Handy am Ohr. Nach einer Weile ließ er das Telefon sinken, starrte es wütend an und steckte es wieder zurück in die Tasche seines Sakkos.
    „Fuck!“, schrie Jonas, denn die Fliegen waren ohne Vorwarnung nach oben gebraust und wollten nach draußen.
    „Fuck!“, hallte es durch den Regen und er schlug gegen die Karosserie des Wagens, um wenigstens die Hornissen zu besänftigen. Natürlich hörte der Mann diesen plötzlichen Lärm und wusste auch sofort, woher er kam. Er rannte auf den querstehenden Geländewagen zu, auf dessen Fahrertür Jonas gerade dabei gewesen war, sein Piece zu sprayen. Jonas sah den Mann auf sich zulaufen und drosch mit den Fäusten gegen das Blech des Wagens, er wollte sprayen, aber er musste schlagen und schreien.
    Wie gerne würde er sich hinter den Wagen kauern und das Graffiti mit der orangen Leuchtfarbe fertigsprayen. Wie gerne wäre er dann lautlos in der Nacht verschwunden, untergetaucht im Regen und hätte sich völlig durchnässt in seiner Absteige verkrochen. Doch nein, sein Dämon forderte seinen rechtmäßigen Tribut. Deshalb kratzte er mit seinen beiden Klauenhänden über die Motorhaube des Wagens, verzerrte das Gesicht und die Fliegenschwärme trugen zu tausenden seine schreiende Stimme nach draußen, die immer wieder nur ein Wort rappte: „Fuck!“
    Endlich waren alle gesättigt und befriedigt und er wurde langsam wieder klar im Kopf. Zum Überlegen blieb nun keine Zeit mehr, denn er hörte die schnellen Schritte bereits ganz in seiner Nähe über den Beton hallen. Genauso schnell, wie er es als Sprayer auf der Straße gelernt hatte, packte er seinen schwarzen Rucksack, verstaute die Cans und wollte in der schwarzen Nacht einfach verschwinden, sich im Regen auflösen. Zurück blieb ein halb fertiges Graffiti, das dem Besitzer des Wagens Rätsel aufgeben und hoffentlich dafür sorgen würde, dass er seinen Alptraum auf jemand anderen übertragen konnte.
    Doch in dieser Nacht war alles anders, denn der Besitzer des Wagens war schneller, als er gedacht hatte, und als ein Stiefel in seinen Rücken krachte, da wusste Jonas, dass er dieses Spiel verloren hatte.

3. Das Camp der Verlorenen

    Der Regen prasselte in die rostige Mülltonne und eine zischende Dampfwolke stieg auf, als das Feuer erlosch. Mit Plastikplanen, die sie zwischen ausgebrannte Container gespannt hatten, versuchten sich Junkies, Ausreißer, Sprayer und Obdachlose vor dem Dauerregen notdürftig zu schützen. Sie gingen ihren nächtlichen Beschäftigungen nach, die alle in einer gesetzlichen Grauzone angesiedelt waren und auch durch brutale Razzien von privaten Sicherheitsfirmen nicht eingedämmt werden konnten. Das Gelände, auf dem sich diese Kinder der Nacht aufhielten, gehörte einem ausländischen Hedgefonds-Unternehmen, das dort supermoderne Donaublick-Apartments bauen wollte, aber noch auf die nötigen Bewilligungen des Stadtamts warten musste.
    Nebenan auf dem Schrottplatz, der direkt an der Donau lag und an den der riesige Containerhafen grenzte, sah man im Schein von noch brennenden Mülltonnen eine schattenhafte Gestalt, die schnell und leichtfüßig über die Autowracks sprang, keine Sekunde verharrte, denn sie war auf der Flucht. Auf der Flucht vor Tony Braun, dem Chefinspektor der Mordkommission Linz, der einige Bier zu viel getrunken hatte und dessen Reaktion deshalb auch so langsam ausgefallen war. Die dürre Gestalt sprang jetzt von einem zu Schrott gefahrenen Lastwagen auf das Dach eines Möbelwagens, um dann einen Maschendrahtzaun zu erreichen, der den Containerhafen abgrenzte. Diese Gestalt, die unentwegt „Fuck!“ in die Regennacht schrie, hatte den umstrittenen Leiter der Mordkommission einfach ausgetrickst.
    Alles, was Braun wusste, war, dass dieser ungepflegte Typ, der vor ihm auf den Schrottautos herumturnte, ihn beschimpft und seinen Range Rover mit einem Graffiti in schreiendem Orange beschmiert hatte. Als Braun dem Sprayer einen Tritt ins Kreuz verpasst hatte, der diesen zu Boden

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