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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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sie dir nur, um dir das ausgerichtet zu haben. Solltest du nicht mehr antworten, sehen wir uns übermorgen um 14 Uhr im Messecafé. Ich werde sicher nicht mit dem Leo suchenden Irr-Blick durch das Kaffeehaus (abschieds-)lustwandeln. Ich werde an einem kleinen Tisch abseits vom Getümmel sitzen und warten, bis der Mann, der mit mir zwei Jahre schriftlich Gefühle auf- und abgebaut hat, ehe er nach Boston aufbrach und seinen eigens angefertigten Emmi-Gefühlsschrank versperrte, bis dieser Mann zu mir gefunden und Platz genommen hat, damit wir das Kopfabenteuer endlich würdevoll hinter uns bringen können. Ich ersuche dich deshalb, bemüht zu sein, mich zu erkennen. Du hast bekanntlich drei Varianten zur Auswahl. Solltest du dich nicht mehr erinnern, wie mich deine Schwester beschrieben hat, gebe ich dir gerne ein paar Stichworte. (Zuuuuuuufällig besitze ich noch deine E-Mail von damals.) Emmi eins: klein, kurze dunkle Haare (könnten in eineinhalb Jahren allerdings gewachsen sein), burschikos, »mit würdevoller Arroganz überspielte leichte Unsicherheit«, erhabener Kopf, feine Gesichtszüge, schnelle Motorik, speedig, temperamentvoll. Emmi zwei: groß, blond, vollbusig, weiblich, langsam in den Bewegungen. Emmi drei: mittelgroß, brünett, schüchtern, scheu, melancholisch. So, ich glaube, du solltest mich finden. Schreib mir zurück oder verbring jedenfalls noch zwei entspannte Tage, mein Lieber. Und pass auf deinen Schlüssel auf! Emmi.
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Liebe Emmi, du hast es mir leicht gemacht, dich zu erkennen, vermutlich leichter, als du wolltest. Du hast mir endgültig verraten, dass du Emmi eins bist, was ich immer schon vermutet hatte. Willst du wissen, wodurch?
     
    Eine Minute später
    RE:
    Natürlich! Ich liebe den aufgeregten Hobby-Psychologen in dir, Leo! Damit kann man dich vom Kreislaufstillstand ins Leben zurückholen und dich sogar im absolut gefühlsverschränkten Zustand zu E-Mails nötigen.
     
    15 Minuten später
    AW:
    Liebe Emmi eins, zuuuuuuufällig besitze auch ich noch unsere E-Mails von damals, als wir uns ferndiagnostizierten: Bei »Emmi zwei« hast du die von meiner Schwester zugewiesenen Attribute »sehr souverän«, »selbstsicher, cool«, »beobachtet Männer perfekt beiläufig« und Merkmale wie »schlanke lange Beine« und »schönes Gesicht« unter den Tisch fallen lassen. Dir war nur noch wichtig, auf ihre langsamen Bewegungen und auf ihren großen Busen (mit einem solchen du ja schon immer auf Kriegsfuß gestanden hast, seit wir uns kennen) hinzuweisen. Man merkt also, dass du sie nicht sonderlich magst. Also bist du nicht sie. Ähnlich bei »Emmi drei«. Sie interessiert dich nicht. Du streichst ausgerechnet ihre Schüchternheit heraus, ein Wesenszug, der dir selbst vollkommen fremd sein dürfte. Und du verschweigst ihren »exotischen Teint«, ihre »mandelförmigen Augen«, ihren »verschleierten Blick«, all das, was an ihr interessant klingen könnte. Einzig bei »Emmi eins« bist du großzügig in deinen Betrachtungen, liebe Emmi eins. Dir ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass ihre kurzen dunklen Haare gewachsen sein könnten, du zitierst ihre »mit würdevoller Arroganz überspielte leichte Unsicherheit«, ihren »erhabenen Kopf« und ihr Temperament. Dabei nennst du den Begriff »speedig«, aber »hektisch« und »nervös« lässt du aus. Diese Eigenschaften magst du eben nicht so gern an dir. Also, liebe Emmi eins, ich freue mich, dich am Samstagnachmittag dunklen Haares, erhabenen Hauptes und speediger Laune am Kaffeehaustisch anzutreffen. Bis bald, Leo.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Wenn ich gewusst hätte, wie euphorisch du sein (schreiben) kannst, wenn du glaubst, etwas durchschaut zu haben, hätte ich mich mehr darum bemüht, durchschaubarer für dich zu sein, mein Lieber. Ich warne dich dennoch: Rechne lieber mit jeder Emmi. Wer weiß, wie das Leben draußen spielt, wie stark oder schwach es jenes hier drinnen widerspiegelt, wo sich Worte ihren Reim auf sich selbst machen dürfen. Im Übrigen bist stets du der von uns beiden gewesen, der mit der weiblichen Oberweite auf Kriegsfuß stand, mein Bester. Allein die Erwähnung löst bei dir offenbar ödipale Stresssituationen aus. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum du ewig auf dem »großen Busen« herumreitest, wenn ich das einmal so metaphorisch formulieren darf. Bis bald, Emmi.
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Das können wir ja gerne am Kaffeehaustisch diskutieren. Es sieht ganz danach

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