Alle sieben Wellen
bedeutungslos erscheint: Von einem Taxi aus sieht man nicht, ob auf Top 15 Licht brennt oder nicht.
Eine Minute später
RE:
Dann war es eben ein Stockautobus oder ein Propellerflugzeug. Ist ja aus heutiger Sicht völlig egal. Nacht!
Sieben Stunden später
AW:
Falls du nicht gerade zufällig vorbeigeflogen bist und es ohnehin gesehen hast: Auf Top 15 brennt heute Nacht wieder Licht. Ich kann nicht schlafen.
Zehn Minuten später
Betreff: Bedeutendes
Lasse es mich klarstellen, Emmi.
1.) Was du mir bedeutest, bedeutet mir mindestens so viel wie das, was ich dir bedeute.
2.) Gerade weil du mir so viel bedeutest, bedeutet es mir viel, dass auch ich dir möglichst viel bedeute.
3.) Hättest du mir nicht so viel bedeutet, wäre es mir egal gewesen, wie viel ich dir bedeute.
4.) Da es mir aber keineswegs egal ist, bedeutet dies, dass du mir so viel bedeutest, dass es mir nicht egal sein kann, wie viel ich dir bedeute.
5.) Wüsstest du, wie viel du mir bedeutest, dann könntest du verstehen, warum ich meine Bedeutung für dich nicht verlieren will.
6.) Fazit eins: Du wusstest offenbar nicht, wie viel du mir bedeutest.
7.) Fazit zwei: Vielleicht weißt du es jetzt.
8.) Ich bin müde. Gute Nacht.
Vier Stunden später
RE:
Guten Morgen, Leo. Das hat noch niemand zu mir gesagt. Und ich glaube auch nicht, dass das schon einmal irgendjemand zu irgendjemandem gesagt hat. Nicht nur, weil man so etwas kein zweites Mal so (umständlich) formulieren könnte. Sondern weil kaum einer in der Lage wäre, so tief emotionell zu denken. Ich danke dir so sehr dafür. Du ahnst nicht, was es mir bedeutet!!! Heute um 14 Uhr im Messecafé?
Eine Stunde später
AW:
Heute um 14 Uhr im Messecafé.
Eine Minute später
RE:
Also in vier Stunden und sechsundzwanzig Minuten.
Eine Minute später
AW:
Fünfundzwanzig.
Eine Minute später
RE:
Vierundzwanzig.
40 Sekunden später
AW:
Und du kommst diesmal wirklich!
50 Sekunden später
RE:
Aber sicherlich. Und du?
Zwei Minuten später
AW:
Ja, natürlich. Ich werde uns doch nicht um unseren »würdevollen Abschluss« bringen.
20 Minuten später
RE:
War das vorhin deine letzte E-Mail?
20 Sekunden später
AW:
Nein. Und das hier deine?
30 Sekunden später
RE:
Auch nicht. Bist du aufgeregt?
20 Sekunden später
AW:
Ja. Du?
25 Sekunden später
RE:
Ja, sehr.
30 Sekunden später
AW:
Musst du aber nicht sein. Ich bin ein ziemlich durchschnittlicher, wenig zur Aufregung Anlass gebender Mensch, wenn man mich das erste Mal sieht.
20 Sekunden später
RE:
Leo, für Schadensbegrenzung ist es zu spät! War das vorhin deine letzte E-Mail?
30 Sekunden später
AW:
Meine vorletzte, liebe Emmi.
40 Sekunden später
RE:
Das hier ist meine letzte! Bis dann, lieber Leo. Willkommen im Neuland der Begegnung.
KAPITEL DREI
Am Abend des gleichen Tages
Kein Betreff
Danke, Emmi. Leo.
Am Morgen des nächsten Tages
Kein Betreff
Nichts zu danken, Leo. Emmi.
Zwölf Stunden später
Betreff: War es ... ... so schlimm?
Zwei Stunden später
RE:
Warum fragst du, Leo? Du weißt, wie es war. Du warst dabei. Du bist deiner »Illusion des Vollkommenen« 67 Minuten leibhaftig gegenübergesessen und hast sie mindestens 54 Minuten davon angelächelt. Ich fange erst gar nicht an aufzuzählen, was du in dieses Lächeln alles hineingepackt hast, so umfangreich war das Programm. Eine anständige Portion Verlegenheit war jedenfalls auch dabei. Aber nein, es war nicht schlimm. Schlimm war es überhaupt nicht. Ich hoffe, deinem Hals geht es besser. Wie gesagt: Isla-Mint-Pastillen, am besten die mit Johannesbeergeschmack. Und vor dem Schlafengehen mit Salbeitee gurgeln! Schönen Abend noch, Emmi.
Zehn Minuten später
AW:
»Schlimm war es überhaupt nicht.« Was war es dann, liebe Emmi? Was war es überhaupt?
Fünf Minuten später
RE:
Hey Leo, seit wann stellst du die spannenden Fragen? Bist du nicht derjenige von uns beiden, der für die spannenden Antwortenzuständig ist? Also: Wenn es nicht schlimm war, was war es wohl dann, lieber Leo? Lass dir ruhig Zeit. Gute Nacht. Emmi.
Drei Minuten später
AW:
Wie können zwei identische Emmis in so unterschiedlichem Tonfall schreiben und reden?
50 Sekunden später
RE:
Hartes Training, Herr Sprachpsychologe! Und jetzt schlafe gut, träume schön und atme frei.
Übrigens: »Danke, Emmi«, war schwach, lieber Leo. Sehr schwach.
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