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Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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beantworten. Er war ein Nervenbündel, weil er erfahren haben mußte, daß sein Sohn aus den Wüsten der Dritten Welt zurückkam.
    »Sie sind durcheinander wegen Ihrem Anarchistensohn Pete, nicht wahr?«
    Da stürzte er sich auf mich.
     
     
    In der dunklen Taverne spendierte Pete Greaves seinen Freunden eine letzte Runde. Er war fast drei Wochen in der schäbigen kleinen Stadt gewesen und hatte auf den Tag gewartet, an dem die Grenze geöffnet wurde; in dieser Zeit hatte er praktisch alles kennengelernt, was es gab. Alle – nicht nur Max Spineri, der den ganzen Weg von Alexandria mit ihm gereist war – schworen an diesem Abschiedstag ewige Freundschaft.
    »Und die Pest über König Cholera!« sagte Pete und hob sein Glas.
    »Geh lieber zurück in den Westen, bevor König Cholera Sizilien besucht!« sagte ein Maultiertreiber.
    Das Getränk war stark. Pete fühlte sich gehalten, eine kleine Rede zu schwingen.
    »Ich bin als dummer Snob hierhergekommen, vollgestopft mit der ganzen Propaganda des Westens«, sagte er. »Ich kehre mit offenen Augen zurück. Ich bin in dem Jahr in Afrika und Sizilien ein Mann geworden, und zu Hause werde ich anwenden, was ich gelernt habe.«
    »Dein Zuhause ist ja hier, Pete«, sagte Antonio, der Barmann. »Geh nicht zurück nach Pinkyland, sonst wirst du eine Maschine, wie die anderen dort. Wir sind deine Freunde – bleib bei deinen Freunden!« Aber Pete bemerkte, daß ihm der listige alte Teufel zu wenig herausgab.
    »Ich muß zurück, Antonio – Max wird es dir sagen. Ich möchte die Leute aufrütteln, sie zwingen, sich die Wahrheit anzuhören. Es muß einen Wandel geben, es muß ihn geben, und wenn wir die ganze jetzige Ordnung umstürzen müssen. In ganz Pinkyland gibt es Tausende – Millionen – von Männern und Mädchen in meinem Alter, die hassen, wie die Dinge stehen, glaubt mir.«
    »Es ist genau so wie hier!« sagte lachend ein Bauer.
    »Sicher, aber im Westen ist es anders. Die Jungen haben die Vortäuschung satt, daß wir in der Regierung etwas zu sagen hätten, sie sind der Bürokratie müde, einer Technokratie, die nur die Macht der Politiker stützt. Wen interessiert es, ob Leben auf dem Jupiter gefunden wird, wenn das Leben hier immer elender aussieht!«
    Er sah – während seiner ganzen Zeit hier erstaunte ihn das immer wieder – daß sie kühl auf solche Reden reagierten. Er war auf ihrer Seite, wie er immer wieder hervorhob. Aber ihre Einstellung den Weißen gegenüber war bestenfalls ambivalent: ein Gemisch von Neid und Verachtung für Nationen, die sie als Sklaven von Verbrauchsgütern und Maschinen sahen.
    Er versuchte es erneut, berichtete von Studenten-Power und dem Untergrund, aber Max unterbrach ihn.
    »Du mußt bald gehen, Pete. Wir wissen, was du empfindest. Nimm’s leicht – deinen Leuten drüben fällt es so schwer, etwas leicht zu nehmen. Hör zu, ich habe ein Abschiedsgeschenk für dich…« Er zog Pete in eine Ecke, holte eine Schußwaffe heraus und drückte sie seinem Freund in die Hand. Pete betrachtete sie und sah, daß es ein alter englischer Enfield-Revolver war, gut gepflegt.
    »Das kann ich nicht annehmen, Max!«
    »Doch kannst du! Nicht von mir, sondern von der Organisation. Um dir bei der Revolution zu helfen. Geladen mit sechs Patronen! Du mußt die Waffe verstecken, weil sie dich durchsuchen, wenn du über die Grenze gehst.« Er umklammerte Max’ Hand. »Jede Kugel zählt, Max!« Er zitterte. Vielleicht war es in erster Linie Angst um sich selbst.
    Wenn er fern von der Hitze und den Fliegen, dem Staub und seinen zerlumpten, ungewaschenen Freunden war, würde er dieses tapfere Bild von sich selbst festhalten und Mut daraus ziehen.
    Er trat hinaus in die Sonne, wo Roberta Arneri stand und beobachtete, wie der Konvoi für die kurze Fahrt zum Grenztor zusammengestellt wurde. Er griff nach ihrer Hand.
    »Du weißt, warum ich gehen muß, Roberta?«
    »Du gehst aus vielen Gründen.«
    Es stimmte. Er starrte ins grelle Sonnenlicht und versuchte sich zu erinnern. Obwohl Haß zwischen den beiden Welten stand, gab es Bereiche der Schwäche, wo sie sich aufeinander verließen. Unter dem Haß gab es Mehrdeutigkeiten fast wie Liebe. Obwohl Kriegszustand herrschte, wurde in gewissem Umfang der Handel fortgesetzt. Und die Jungen ließen sich nicht einsperren. Jedes Jahr schlüpften junge Weiße – ›Anarchisten‹ für die Älteren – über die Grenze, mit Sanitätswagen und Medikamentenlieferungen. Und die Lieferungen wurden von den Senioren

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