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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Allen
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Palette vorbereitet. Geschäftig schob er die hellen neuen Lampen um das Podium, auf dem das Modell stehen würde, und den alten blauen Wandschirm herum.
      „Meine liebe Miss Grey, ich kann Ihnen gar nicht genug danken“, rief er aus und eilte herbei, um ihr die Hand zu schütteln. „Ich verstehe, wie schwierig es für Sie sein muss, aber in der Lage zu sein, die Leinwand fertig zu stellen … sie werden genau stimmig aufgehängt werden, müssen Sie wissen, auch wenn es nur abgelegene Privaträume sind und keine Galerie … ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …“
      „Ich kann Sie gut verstehen“, versicherte Talitha ihm. „Ich werde kurz nach unten gehen und mich umziehen.“
      „Ich habe Wandschirme aufgestellt, dort in der Ecke.“ Harland zeigte auf zwei alte, lederne spanische Wände, über denen eine Bahn weißes Leinen hing. „Mit den neuen Lampen ist es hier oben viel wärmer und ich dachte, es wäre bequemer so.“
      Talitha trat hinter die Wandschirme und stellte fest, dass Mr Harland einen Stuhl sowie Spiegel und Kleiderständer in dem abgeteilten Bereich aufgestellt hatte. Sie begann, sich zu entkleiden. Mit Bedacht hatte sie dieses Abendkleid gewählt, weil sie es leicht selbst ausziehen konnte. Nach kurzer Zeit war sie in das Leinen gehüllt und zog die Haarnadeln aus ihrer Frisur. Das goldene Haarband hing griffbereit und ein paar Minuten später sah Diana sie aus dem Spiegel heraus an. Talitha zwang sich, praktisch zu denken, und schüttelte ihr Haar genau so zurecht, wie es auf dem Bild zu sehen war. Dann raffte sie den Stoff sittsam um ihren nackten Leib und begab sich auf ihren Platz.
      Nach den ersten unbehaglichen Minuten war alles wieder normal und vertraut. Der Dachboden knarrte noch immer, auch die Mäuse raschelten in den Winkeln. Selbst der gewohnte Luftzug strich durch den Raum und durchdrang selbst die Wärme der starken, grellen Lampen. Hinter ihr lief der Künstler auf seinem Gestell hin und her und murmelte vor sich hin, einmal kletterte er hinab, um den Saum des Leintuches in eine weitere Falte zu legen, dann wieder, um den Lichteinfall zu regulieren.
      Eine Stunde später rief er: „Hervorragend! Ganz hervorragend. Miss Grey, wenn Sie sich jetzt zehn Minuten ausruhen möchten, denke ich, dass anschließend eine weitere halbe Stunde ausreichen dürfte.“
      Talitha wickelte sich in den Umhang und drehte sich um. Dankbar dehnte sie ihre Rückenmuskeln. „Wie kommen Sie mit den anderen Bildern voran, Mr Harland? Sind Sie …?“
      Sie brach ab und erstarrte, als ein donnerndes Klopfen an der Haustür zu hören war. Eine unheilvolle Vorahnung drängte sich ihr auf und sie starrte den Künstler hilflos an. Was passierte denn jetzt? Es war wie an jenem schrecklichen Nachmittag, als Jack Hemsley und seine Freunde ins Studio gestürmt kamen.
      Harland stürmte zur Tür und riss sie auf. Genau wie an dem albtraumhaften Tag hallte Peters Stimme aus dem Treppenhaus empor. „Nein, Sir! Sie können nicht dort hinauf! Mr Harland ist beschäftigt!“
      Talitha umklammerte dessen Arm. „Wer ist das? Erwarten Sie jemanden?“
      „Nein! Gehen Sie wieder hinein, ich werde hinunter …“
      Der Klang der Schritte auf den Stufen war deutlich zu vernehmen. Jemand kam mit langen Schritten die Stiegen emporgesprungen. In wildem Schrecken wirbelte Talitha herum und floh über den staubigen Fußboden zu dem einzigen Versteck, dem Schrank.
      Sie war auf halbem Wege dorthin, als hinter ihr mit einem Krachen die Tür aufschlug. Sie wandte sich um. In dem vergeblichen Versuch, ihre Blöße zu bedecken, wickelte sie den Leinenumhang um sich und starrte zu Tode erschrocken auf die Tür, an der ein Mann den protestierenden Künstler entschlossen beiseiteschob.
      Mr Harland stolperte rückwärts. Zitternd machte Talitha sich gefasst auf Demütigung, Schmach und Schande.
 

15. KAPITEL
 
 
      V on dem Lauf die Treppe hinauf noch völlig außer Atem, verhielt Nicholas Stangate in der Tür und blickte auf die Göttin, die sich ihm wie ein in die Enge getriebenes Tier zuwandte. Der überirdische Glanz der strahlenden Lampen umhüllte sie wie uralte Magie. Es verschlug ihm den Atem. Dann wurden ihm ihre großen, vor Schreck geweiteten Augen bewusst, und er sah, wie sich mit jedem Atemzug ihre Brüste hoben und senkten. Ihm wurde klar, wie viel Mut es sie kosten musste, sich ihm trotz ihrer Todesangst zu stellen.
      Er eilte zu ihr, ergriff ihren Arm und zwang sich,

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