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Aller Heiligen Fluch

Aller Heiligen Fluch

Titel: Aller Heiligen Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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Vorstellung von einem Mann, der einfach aus Spaß an der Freude Menschenknochen sammelt und dessen Urenkel offenbar auch noch stolz darauf ist.
    «Wo hatte er die Knochen denn her?», fragt sie zaghaft.
    «Von überall. Einige stammen von einer Insel. Das sind auch die, derentwegen die Elginisten-Spinner so einen Aufstand machen. Mein Urgroßopa war an einem Salzbergwerk auf der Insel beteiligt.»
    Bei dem Wort «Insel» regt sich eine schemenhafte Erinnerung. Ruth hängt der unerheblichen Frage nach, ob Salz tatsächlich aus Bergwerken kommt. Es hört sich an wie eine Geschichte aus
Alice im Wunderland
, einem von Cathbads Lieblingsbüchern. Ihr fällt wieder ein, dass sie sich beim ersten Besuch hier im Museum wie Alice gefühlt hat, hineingeworfen in eine unterirdische Welt, die ihr völlig willkürliche und doch beängstigende Entscheidungen abverlangte. Die kleine Tür oder die große. Iss mich. Trink mich. Laut sagt sie: «Aber woher kommen sie genau? Hat er sie einfach ausgegraben oder …» Oder … was?
    «Ach ja, ich glaube schon», sagt Danforth leichthin. «Die Aborigines verscharren ihre Toten ja einfach im Boden, ohne Sarg oder sonst irgendetwas.» Er klingt missbilligend.
    «Er hat also Tote ausgegraben?» Ruth traut ihren Ohren nicht.
    Danforth registriert ihren Ton und geht in Verteidigungshaltung. «Nach allem, was ich höre, hat er viel Geld dafür bezahlt. Das die Abos dann vermutlich versoffen haben.»
    «Und jetzt wollen die Elginisten diese Knochen zurück?»
    Danforths Miene verdüstert sich noch mehr. «Die wissen doch gar nicht, was sie wollen. Ahnen begraben, so ein Firlefanz. Das sind doch …» Er deutet auf die Kartons, die sich in den Regalen stapeln. «Das sind doch nicht ihre Ahnen. Das sind nur Knochen.»
    Ruth weiß kaum, wo sie anfangen soll. «Aber es sind menschliche Knochen, menschliche Überreste. Sie haben ein ordentliches Begräbnis verdient.» Sie sucht nach einem Beispiel, das für Smith Bedeutung haben könnte. «Nehmen Sie Bischof Augustine. Er ist Ihr Vorfahr. Sie würden doch auch nicht wollen, dass seine Knochen in Pappkartons durcheinander liegen. Sie würden wollen, dass man ihn mit Respekt und Würde behandelt.»
    «Aber das ist doch etwas völlig anderes. Er war Bischof.»
    «Nun, manche dieser Menschen waren vielleicht auch Bischöfe oder etwas Vergleichbares. Fromme Männer und Frauen.» Ruth bricht ab, weil ihr klar wird, dass sie nur höchst verschwommene Vorstellungen von der Religion australischer Ureinwohner hat. Sie muss an Bob Woonunga denken.
Mein Volk glaubt daran, dass die Welt in der Traumzeit erschaffen wurde, als die Geister der Ahnen noch auf der Erde wandelten.
Es hat wohl wenig Sinn, Danforth Smith davon zu erzählen.
    «Also», sagt sie munter. «Was genau soll ich denn nun tun?»
    Auch Danforth wirkt erleichtert, die Welt der Geister wieder verlassen zu können. «Ich möchte, dass Sie mir sagen, ob diese Knochen wirklich von Menschen stammen. Nach allem, was ich weiß, könnten sie nämlich genauso gut von irgendeinem dummen Dingo sein. Die Schädel bleiben auf jeden Fall hier, das sind wertvolle Kunstgegenstände – vor allem das Trinkgefäß. Aber wenn die Knochen wirklich von Menschen sind, dann können diese Elginisten sie meinetwegen haben. Hier nützen sie ja auch niemandem.»
    «Gut», sagt Ruth. «Ich sehe mir die Knochen an.»
    «Bestens!» Danforth reibt sich die Stirn, die er sich gerade am Türrahmen gestoßen hat. «Ach ja, bevor ich’s vergesse.» In einer Ecke des Raumes steht eine Art Käfig. Danforth Smith zückt einen weiteren Schlüssel und schließt ihn auf. Eine Metallkiste liegt darin, die an einen Fotokoffer erinnert. «Das sind die Schädel», sagt er. «Sind sie nicht wunderschön?»
     
    Allein mit den Knochen, zieht Ruth ihren Blazer aus, wischt sich die Hände an der Hose ab und holt eine Wasserflasche aus ihrem Rucksack. «Warum schleppt ihr jungen Leute eigentlich ständig Wasser mit euch herum?», fragt ihre Mutter sie jedes Mal. «Ich muss doch auch nicht ständig Wasser trinken.» Kann ja sein, Mum, denkt Ruth, aber unter solchen Umständen bräuchtest wahrscheinlich selbst du einen Schluck Wasser. Sie trinkt langsam und versucht dabei, sich zu konzentrieren. Die Wärme macht sie schläfrig. Die vergangene Nacht war nicht gut. Erschöpft von der aufregenden Begegnung mit dem Didgeridoo ist Kate schon um halb acht eingeschlafen. Doch als Ruth sich um acht Uhr nach unten schleichen wollte, ist sie wieder

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