Alvion - Vorzeichen (German Edition)
Vor Äonen begab es sich, dass Ennos, der höchste und älteste der fernen Götter, nach der Erschaffung Velias auf ihr Antlitz hinab stieg und das wilde, archaische Chaos aus glühendem Gestein besänftigte. Danach verließ er die Welt wieder und widmete sich anderen Dingen, doch als er schließlich zurückkehrte, frohlockte er, denn Velia war zu einem azurblauen Juwel erblüht, dessen Anblick selbst das Herz des mächtigsten aller Wesen höher schlagen ließ. Und zwischen den gewaltigen Ozeanen ragte eine große Landmasse empor, die er sogleich ’Velia’ nannte, wie die Mutterwelt, die sie hervorgebracht hatte.
Doch so gewaltig die Ozeane waren, so leer waren sie auch und so herrlich auch die gewaltigen Berge Velias mit ihren schneebedeckten Gipfeln in den Himmel ragten, so öde und tot waren die felsigen Ebenen zu ihren Füßen. Äonenlang betrachtete der Göttervater nachdenklich die Welt, die er geschaffen hatte, bis er schließlich erneut zu ihr hinab stieg und eine Handvoll Erde aufhob. Mit ihr begab er sich binnen eines Augenblicks an die Küste und vermengte Velias Erde mit dem Wasser ihres Meeres, während eine kühle Brise wehte, die das dritte Element – die Luft – hinzufügte. Und ganz zuletzt griff Ennos tief ins Innere Velias, dort, wo immer noch das Feuer herrschte und fügte so das vierte Element hinzu.
Und die Elemente begannen sich zu vermengen und zu tosen, während Ennos sie mit seiner Willenskraft zu einer Kugel zusammenballte und als er glaubte, dass es nun gut war, streckte er seine Hand nach der Kugel aus, um ihr einen Funken seiner Göttlichkeit einzuhauchen. Während er die Kugel mit seinen fünf Fingerspitzen berührte, schuf der Göttervater nicht eine, sondern fünf Gottheiten, und sie gefielen ihm. Er gab ihnen die Namen ’ Lynia’, ’An’maa’, ’Chesis’, ’Zamea’ und ’Talatas’ und ließ sie in leuchtenden Farben erstrahlen.
„ Werdet!“, befahl er und sie wurden. „Wisset nun, meine Kinder“, sprach der Göttervater dann zu ihnen, „gewaltige Macht habe ich euch verliehen, doch durch eure Schöpfung hier auf dieser Welt, ist auch jene Macht an sie gebunden. Seht euch um, meine Kinder, dies hier ist Velia, eure Mutter, gehet nun hin und erfüllt sie mit Leben!“
Und die Kinder des Ennos zogen von dannen und begannen, Velias Ödnis mit mannigfaltigem Leben zu erfüllen. Einträchtig erschufen sie Bäume und Gras und Sträucher und ungezählte Arten von Blumen und tausende verschiedene Arten von Tieren, Fische, Landtiere und Vögel von jeder Größe und Gestalt, riesige Echsen, Insekten, Reptilien und Amphibien von solch großer Vielfalt, dass sie unzählbar waren und allerlei andere, sonderbare Wesenheiten.
Friedlich zogen die Jahrtausende dahin und auf Velia blühte und gedieh das Leben und schließlich war es Lynia, deren liebste Kinder sie nach ihrem Ebenbild gestaltet hatte, die jenes Geheimnis aufdeckte, das zur Entwicklung der Völker führen sollte, denn so sehr liebte sie ihre Kinder, dass sie unter ihnen lebte und führte und beschützte und anleitete. Und so bewirkte Lynias Anwesenheit und Liebe, dass ihre Geschöpfe sich veränderten und nicht mehr nur klug und gelehrig waren wie Tiere, sondern sich ihrer selbst bewusst und neugierig wurden. Denn durch die Berührung ihrer Göttin hatten sie jenen Funken empfangen, der sie dereinst über das Tierreich erheben würde. Schnell wurden die Fortschritte der Kinder Lynias offenbar, mit der Zeit entwickelten sie eine Sprache, entwarfen Werkzeuge, sie entdeckten das Feuer und wurden sesshaft. Der Ackerbau hielt Einzug, sie entwickelten die Schrift und ihre Werkzeuge wurden immer feiner und besser. Sie begannen Tiere zu zähmen und zu züchten, alsbald errichteten sie Häuser und gründeten Städte.
Lynias Geschwister aber betrachteten die Entwicklung misstrauisch, da sie glaubten, ihre Schwester wolle ihre Wesen über alle anderen der Welt erheben und sie begannen damit, Pläne gegen sie zu schmieden. Doch Lynia waren solche Gedanken fremd, denn sie liebte auch ihre Geschwister und vertraute ihnen arglos, auch wenn sie bemerkte, wie sie sich neidisch von ihr und ihren Kindern abwendeten. Dies bereitete der Göttin großen Kummer und so rief sie ihre Geschwister zu sich und teilte mit ihnen das Geheimnis, das ihre Kinder umgab, und zerstreute so ihr Misstrauen.
Sogleich gingen An’maa, Chesis, Zamea und Talatas frohgemut ans Werk, es ihrer Schwester gleich zu tun und schufen sich Kinder, denen sie
Weitere Kostenlose Bücher