Alles Boese mir vergib
Vielleicht stand da 9:48.
„Lass gefälligst Joakim in Ruhe, kapiert?“ Wenn ich es richtig sah, stand sie mit verschränkten Armen da.
„Hmm?“
„Du sollst verdammt noch mal Joakim nicht so runtermachen. Das Ganze geht Mama ziemlich nahe und alles.“
„Normalerweise geht dir Mamas Laune ziemlich am Arsch vorbei.“
„Nur weil du dein Leben in den Sand setzt, musst du das noch lange nicht an uns anderen auslassen.“
Damit ging sie. 9:49. Sie hatte recht. Vielleicht sollte ich ausziehen. Dann störte ich keinen mehr. Bestenfalls konnte ich für meine Freunde ab und zu mal den Pausenclown spielen. Dafür reichte es. Dann hatten sie was zu lachen, und wir hatten Spaß. Aber ich war nicht ernsthaft in der Lage, ein feiner Kerl zu sein. Vielleicht könnte ich mal beim Abwasch helfen? Oder versuchen, meine Versprechen zu halten?
Ich stand auf, duschte und ging lächelnd die Treppe hinunter. Mein Vater allerdings lächelte nicht, als er mich sah.
„Nick, me boy, come here. Sit down. Want a cup o’ coffee?“
Ich nickte.
„You should mind yer temper. You can’t be so … mad at everybody.“
Ich nickte erneut. Er stand auf und zog seinen Stuhl zu mir heran. Er nahm meine Hand. Unsere Hände glichen sich. Wir haben beide ziemlich ordentliche Klodeckel.
„You’re such a good kid. Ye’ve always been just … amazing. You could do anything faster and better than everybody else.“
„Aber irgendwie habe ich mich verschlechtert, was?“
„I can tell you, I’ve seen so many envious dads, because you ran faster and read faster than the rest of the kids. And you can still do it.“
„Aber kannst du mir erklären, warum um alles in der Welt ich es versuchen sollte?“
„Yes. You shouldn’t mess up the talent that God gave you.“
Mir wurde ganz schummrig zumute. Er konnte mich auf eine ganz bestimmte Weise ansehen.
„Behave, okay? At least in front of yer mother.“
Nach einer Weile widmete er sich wieder seinem Buch. Diesmal war es Dan Brown. Ich trank meinen Kaffee und ging nach draußen. Es war kühl und bewölkt.
Mittwochabend war die Party bei Kasper. Ich war eingeladen. Allerdings stammte die Einladung aus der Zeit vor unserer kleinen Auseinandersetzung auf dem Basketballfeld. Mateus hatte mir zwischenzeitlich von seinen neuen Familienverhältnissen berichtet. Er und Kasper waren zum Polterabend bei Johannes Boye Lindhardt eingeladen. Davon war er nicht gerade begeistert.
Am Nachmittag holte ich das Zelt bei Liv ab. Sie hatte Anna und Stine zu Besuch. Die Mädels brezelten sich für die Party auf. Ich dampfte schnell wieder ab, weil ich noch immer keine Karte hatte und es vermeiden wollte, darüber zu reden.
Neue Nachricht von Borste.
Hi Nick. Komm zu Herbstparty morgen. Meld dich.
Ich ging alleine zu Kasper, der ganz in der Nähe von Liv wohnte. Auf Mateus hatte ich jetzt keinen Bock, da er Tom und Veronica im Schlepptau haben würde. Es war ein großes Haus. Ich brauchte eine Weile, bis ich die Reste des Essens in der Küche fand. Ich setzte mich an den Tisch und aß mit einem süßen, hippieartigen Mädchen aus Sandras und Kaspers Klasse. Sie hieß Julia und war auch Vegetarierin. Im Wohnzimmer sangen sie
Ein Student hockt in der Kammer
Und onaniert mit einem Hammer.
Sein kleiner Bruder, der will auch,
trifft nun aber nicht den Schlauch,
und zertrümmert seine Eier.
Auweia! Auweia!
Sandra kam herein. In einem ultrakurzen Rock, der zu viel preisgab, durch einen gewissen Retro-Schwung aber gerade noch die Kurve kriegte. Ihre Begeisterung verhieß nichts Gutes.
„Wusstest du, dass Mateus’ Mutter bald heiratet? Und dass Mateus und Kasper zusammen auf den Polterabend gehen werden? Kasper ist mit diesem Arztheini verwandt, den Mateus’ Mutter heiratet.“
Sandras Sinn für Getratsche.
„Die fahren wohl nach Schweden zum Elche jagen und Raften und alles Mögliche.“
„Mateus fährt nicht mit“, antwortete ich. Hinter Sandra stand Kasper mit seiner Schmalzfrisur und grinste. Die Arroganz in seiner Fresse lag so dick auf wie Marylin Mansons Make-up.
„Mateus hat keinen Bock, mit lauter reichen Schnöseln Elche abzuknallen. Er könnte ja aus Versehen Kasper in den Kopf schießen.“ Sie verzog angewidert den Mund und zog von dannen.
Einige Mädels kamen in die Küche. Sie kicherten, als sie mich und Julia zusammen dasitzen sahen. Das war in der Regel ein gutes Zeichen. Mich können nur die Hippiemädchen leiden. Die Sorte Mädchen, die Geisteswissenschaften studieren
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