Alles Boese mir vergib
wohl, dass er sich auf vermintes Gebiet begab, glaubte aber offenbar, die Sache im Griff zu haben.
„Ah, das ist ja super. Dann kriegste hin und wieder auch einen geblasen.“
„Was bedeutet – geblasen?“, fragte meine Tante.
„Ich meine, wenn man Kohle dafür kriegt, fernsehgeile Schlampen zu pimpen, dann ist es ja auch nicht mehr so weit bis dahin.“
„Sorry, aber was zum Henker redest du da?“, sagte Joakim, während er sich vor Sandra beugte, die drauf und dran war, mich anzuschreien. „Ich regle das schon“, versuchte er sie zu beruhigen.
„Nur nicht nachlassen, Joakim, immer schön ranklotzen. Wer weiß? Vielleicht wirst du eines Tages Fluffer für Sidney Lee.“
„Fluffer?“, fragte meine Tante.
„Halt’s Maul, Nick, du Drogenwrack!“, schrie Sandra. Dann herrschte erst einmal Stille.
„Unser lieber Nick ist nur ein bisschen neidisch. Das ist völlig okay“, sagte Joakim lächelnd. Ich ließ meinen Blick über die Runde schweifen, die einem Stillleben glich.
„Jeeeetzt checkt Nickemann aus – hier auf fünf Komma fünf Falltür FM. Tausend Dank an Joakim, dafür, dass er uns an den Weisheiten von so großen Denkern wie Sukkerchok-k-k teilhaben lässt.“ Ich stand auf. „Nach der Werbung folgt noch mehr Hip-Hop-Harmonie von Theeee Hedegaards .“ Mein Opa lächelte. Ich drückte ihn und Oma, dann machte ich mich davon. Ich streifte durch die Stadt und kam erst wieder nach Hause, als es dunkel wurde. Joakims Motorrad stand noch immer vor der Tür. Ich widerstand der Versuchung, den Tank zu zerkratzen. Der konnte schließlich nichts dafür.
Am Tag darauf haute ich ab, bevor die anderen wach wurden. Ich setzte mich in den Freihafen und schaute den Schiffen zu. Am frühen Nachmittag traf ich Mateus und Liv am Basketballplatz. Kasper war auch da, zusammen mit Tobias und Street-Sune. Sie riefen Schiebetür an, aber da er nicht kommen konnte, überredeten sie mich zum Mitspielen. Mateus, Tobias und ich gegen Liv, Sune und Kasper.
Wir gewannen locker, weil Liv sich weigerte, den Ball zu Kasper zu passen. Was ihre Gewinnchancen natürlich beträchtlich minderte. Danach ging ich mit Mateus und Liv zu Mateus nach Hause.
„Kommt, lasst uns feiern gehen!“, meinte Liv. Sie sprühte vorEnergie. Mateus konnte ihr dabei locker das Wasser reichen. Vielleicht taten sie das, um mich aufzumuntern.
„Dann können wir auch das Roskilde-Festival planen“, sagte Mateus. Er war kurz unter die Dusche gesprungen und stand jetzt in Unterhose da und trocknete sich die Haare.
„Wir müssen spätestens am Sonntag da sein, wenn wir einen Platz auf dem Campingareal ergattern wollen“, meinte Liv.
„Technisch gesehen bedeutet das Samstagabend“, sagte ich. „Da wird das Gelände geöffnet.“
„Also ich kann nicht so früh da sein. Ich fahre noch mit Veronica ins Sommerhaus“, erklärte Mateus.
„Mit ihren Eltern?“, fragte ich.
„Ja, wieso?“
„Nur so.“
„Könntest du nicht schon vorausfahren?“, fragte mich Liv.
„Weiß ich noch nicht.“
„Warum nicht? Was hast du vor?“
Nichts und wieder nichts hatte ich vor.
„Gehen wir los?“, fragte ich. Mateus schmierte sich Gel in die Haare – und dann gingen wir los.
„Nick?“, fragte Liv, als Mateus auf die Toilette gegangen war. „Was ist denn mit dir?“
„Nichts“, antwortete ich.
„Ich kenne dich doch. Und zwar in- und auswendig, mein Lieber.“
Mateus kam zurück und setzte sich.
„Du willst nicht mehr mit uns reden. Wir gehen dir anscheinend auf den Keks.“
„Meine Schwester ist mit einem Arschloch zusammen.“
„Na und?“
Sie verlangten eine Antwort. Beide. Ich checkte mein Telefon. Noch eine Nachricht von Borste. Gratiskarten für eine Technoparty.
„Neulich, ihr erinnert euch noch, oder? Da sollte ich zum Gespräch mit dem Rektor …“ Ich erzählte ihnen von der Frau am Bahnsteig. Und sofort hatten sie Mitleid mit mir. Mateus laberte etwas von posttraumatischem Stresssyndrom. Liv nahm meine Hand.
Als wir uns verabschiedeten, nahm Liv mich fest in den Arm und flüsterte: „Aber das ist nicht das eigentliche Problem, oder?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Was ist es dann?“
Ich zuckte mit den Achseln. Keine Ahnung.
Erntefest
„Nick?“
Ich kniff die Augen im grellen Sonnenlicht zusammen. Meine Schwester war so freundlich gewesen, schon einmal die Rollläden hochzuziehen.
„Was ist mit dir los?“ Sie sah wütender aus als zunächst angenommen. Die Zahlen auf dem Wecker verschwammen.
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