Ausgelacht
***
«Einen Latte macchiato und den Salat Nizza.» Britt lehnte sich zurück und schaute aus dem Fenster. Ihre beste Freundin Nana müsste bald da sein. Sie trafen sich fast jeden Tag, und das seit der Kindergartenzeit. Nana wohnte mit ihrer Mutter gegenüber in einer fast so schönen Villa wie Britt. Davon mal abgesehen gab es in Bogenhausen so gut wie keine hässlichen Häuser. Und alle waren schön groß.
Und Größe war Britt gewöhnt. In jeder Hinsicht.
Britt war vor kurzem zwanzig geworden, die Schule war fertig, und nun wartete sie auf einen Studienplatz, das aber auch nur, weil ihre Eltern der Meinung waren, sie solle etwas Anständiges lernen.
«Falls du glaubst, dass das Leben nur aus Party besteht, hast du dich getäuscht, mein Schatz», hatte Britts Vater zu ihr gesagt, und ihre Mutter hatte genickt.
Ihre Eltern hatten Geld, keine Frage, aber sie lagen beide nicht auf der faulen Haut, wie Britt es gern zu tun pflegte. Britts Eltern hatten eine Firma für Werbeartikel, die hervorragend lief. Geld war mehr als genug da.
Und Britt – nun ja, Britt hatte noch nichts Richtiges auf die Beine gestellt, außer ihr Abitur zu machen.
«Wenn du BWL studierst und dann eine Ausbildung bei mir machst, also so von der Pike auf, dann spricht nichts dagegen, dass du eines Tages dazu in der Lage sein wirst, die Firma zu übernehmen», war Gerhard Wildenburgs Meinung. «Aber einfach so rumgammeln und nichts tun, das kommt mir nicht in die Tüte, da kannst du dir einen anderen suchen.»
«Papa!», hatte Britt sich aufgeregt. «Immerhin habe ich das zweitbeste Abi der Schule gemacht.»
«Das ist ja auch prima.» Er hatte ihr auf die Schulter geklopft. «Aber nun muss es weitergehen.»
«Und wie?»
«Dir stehen alle Türen offen. Also mach was draus.»
Aus Trotz hatte Britt sich nicht für ein Betriebswirtschaftsstudium entschieden, sondern für das der Medizin, obwohl sie davon genauso wenig hielt wie von allen anderen Studiengängen der Welt. Ihr Leben gefiel ihr so, wie es war. Außerdem war sie der kruden Ansicht, dass es doch genügte, wenn andere arbeiteten.
Nana hatte es da besser. Sie wohnte mit ihrer Mutter, einer durchaus erfolgreichen Schmuckdesignerin, zusammen, und es gab keinen Mann, der ihnen reinredete, denn einen Vater gab es nicht. Nana war von ihrer Mutter alleine großgezogen worden. Manchmal beneidete Britt die Freundin, denn Nana konnte machen, was sie wollte, auch nach dem Abi. Deswegen würde Nana erst mal für ein paar Monate in die USA fliegen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Und sie, Britt, musste sich um ihre Zukunft kümmern, dabei wäre sie zu gern mit Nana geflogen. Denn den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, das konnte sie mindestens genauso gut wie ihre Freundin, die gerade eben das Café betrat – wie immer etwas hektisch, das iPhone in der einen, eine teure Tasche in der anderen Hand.
«Nächste Woche geht’s endlich los», begrüßte sie Britt. «Ich hab schon tausend Leute mobilisiert, erinnerst du dich noch an diesen durchgeknallten Typen, den wir im P 1 kennengelernt haben? Dieser Fotograf mit den langen schwarzen Haaren?»
«Natürlich erinnere ich mich», sagte Britt. «Er hatte sie nicht mehr alle.»
«Deswegen war er mir ja so sympathisch. Und jetzt wohnt dieser Tim in New York und kennt die ganze Szene. Er meinte, er würde mir alle wichtigen Leute vorstellen, und jeden Abend gibt es Party!»
«Nana, dieser Tim hat uns erzählt, dass er Vogelspinnen und Kakerlaken sammelt und gerne Insekten isst.» Britt konnte es nicht fassen.
«Eben, eben.» Nanas Augen glänzten voller Vorfreude. «Das wird ein irres Erlebnis.»
Die Bedienung kam und brachte Britts Salat. Nana bestellte eine Tomatensuppe und beobachtete dann, wie Britt die Blätter klein schnitt.
«Und jetzt stell dir vor, da wären Maden drin», sagte sie fröhlich.
Britt ließ die Gabel sinken. «Das will ich mir aber gar nicht vorstellen.»
«Doch, tu’s einfach. Tim meinte, Maden schmecken gar nicht so schlecht. Außerdem – wenn man Hunger hat, isst man alles. Kannst du dich noch an diesen Film erinnern, in dem das Flugzeug mit einer, ich glaube, Footballmannschaft in den Anden abgestürzt ist? ‹Überleben› hieß der glaub ich.» Sie senkte die Stimme mit einem wohligen Gruseln. «Die haben da ihre eigenen Kollegen aufgegessen.»
«Hör sofort auf, Nana. Außerdem war das ein Film.»
«Ja, klar. Aber nach wahren Begebenheiten.»
«Sag mal, hast du was
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