Alles Boese mir vergib
waren, klingelte mein Telefon. Es war Mateus. Ich ließ es klingeln, aber er versuchte es gleich wieder. Und wieder. Da ging ich auf die Terrasse.
„Hier ist Mateus. Rate mal, wo ich gerade stehe.“
„Wo?“
„Bei dir zu Hause.“
„Okay.“
„Bist du krank oder nicht?“
„Nein, nicht richtig. Ich hatte einfach keinen Bock auf die Abiparty heute Abend.“
„Und deshalb findest du es in Ordnung, zu lügen? Du hast garantiert auch keine Roskilde-Karte, stimmt’s? Deine Schwester sagt, dass du keine hast.“
„Ah. Mit ihr hast du also gesprochen?“
„Du bist so was von unzuverlässig, Mann. Du verarschst alle und jeden. Die ganze Zeit.“ Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, als er das sagte. Und der Gegenangriff formierte sich automatisch im Unterbewusstsein und entwischte meinen Lippen.
„Mateus, jetzt komm doch mal raus aus deinem Hamsterrad, bitte. Ich brauchte einfach eine Pause von dieser ganzen Selbstverherrlichung. So eine Pause könntest du doch auch ganz gut gebrauchen, oder?“
„Ach, und jetzt willst du den Hamster retten? Oder was?“ Er schrie fast. „Ich bin echt glücklich, auch wenn ich genau weiß, dass es nicht in deinen Schädel geht, dass Veronica mich glücklich macht. Anstatt dich darum zu kümmern, solltest du lieber mal dein Leben in Ordnung bringen. Aufhören, so viel zu kiffen. Und dir vielleicht einen Job zulegen.“
„Iss du nur Brie und trink Rotwein mit Veronica. Und spar schön für ein Meißner Kaffeeservice.“
Wir legten auf und hatten beide Schmerzen unterhalb der Gürtellinie.
Ich ging wieder durch die Balkontür. Setzte mich. Und das Essen wurde hinausgetragen, während ich mich am Tisch mit Jesper unterhielt, der Kommunikationswissenschaften studierte. Was genau er mit Borste zu tun hatte, war unklar.
Als die Sonne sich langsam dem Horizont zuneigte, holte Borste eine große Aluminiumschale, die mit grünen Blättern von Hanfpflanzen gefüllt war. Die Schale machte die Runde und alle sagten: „Ahhhhh!“ Danny stand auf und verabschiedetesich, während Borste Joints drehte – insgesamt sechs völlig identische.
Auf Henning schien das Gras keinerlei Wirkung zu haben. Helen schniefte ein wenig, Jesper lobte die Qualität und den hohen THC-Gehalt. Er hatte völlig recht. Das Zeug war gut.
Im Laufe des Abends kam heraus, dass Jesper auf das Festival gehen würde, um Stoff zu verkaufen, dass Henning draußen im Industriegebiet von Ejby ein Fitnesscenter betrieb, was seinen Körperbau allerdings nur teilweise erklärte, und dass Helen für die Buchhaltung verantwortlich war. Danny ging zu den Anonymen Alkoholikern – und ein Teil der Behandlung bestand darin, auf Partys zu gehen und sie wieder zu verlassen, ohne etwas getrunken oder etwas anderes – also Ersatzdrogen – genommen zu haben. Borste knallte AC/DC in die Anlage und wir rauchten uns zu den Klängen von Hell’s Bells dicht. Jesper machte sich auf den Weg. Helen nahm ein Taxi nach Hause, nach Rødovre. Blieben nur noch Henning, Borste und ich.
Ich saß da und grübelte vor mich hin. Dachte an Liv, von der ich mich mehr und mehr entfernte. Ich war es leid, dass sich mir jedes Mal der Magen zusammenschnürte, wenn ich sie sah. An Jonathan, der mir ständig im Kopf herumschwirrte, aber eher im Hintergrund, nicht mehr als Hauptperson. An Mateus, der in diesem Augenblick vermutlich mit Kasper anstieß. An Kasper, der sicher von dem tollen Studentenleben bei den Juristen erzählte, während Mateus anerkennend nickte. An Veronica, Veronico. Ich war nicht auf einer Wellenlänge mit ihnen und gerade dabei, sie alle zu enttäuschen. Wenn es hart auf hart kommen sollte, wer würde dann mich retten?
„Nick? Wohnt Micky Maus in derselben Stadt wie Donald Duck?“, fragte Henning.
„Entenhausen? Jep.“
„Da siehste! Dein Freund hat echt was auf dem Kasten“, sagte Henning und marschierte in Richtung Toilette. „Du, Nick. Helen und ich veranstalten demnächst eine Grillparty. Hast du Lust zu kommen? Uns fehlt noch jemand, der ein bisschen Grips in der Birne hat.“
„Klar“, antwortete ich.
„Borste weiß, wo es ist“, rief er, und eine Pause zwischen zwei Songs verriet, dass er pinkelte.
„Kannst du mich bei Roskilde reinbringen?“, fragte ich Borste.
„Na ja, wie gesagt habe ich ein paar Karten für die Jungs, die dort Stoff verkaufen.“
„Könnte ich das nicht übernehmen?“
Borste legte den Joint in den Aschenbecher.
„Bist du sicher, dass das was für dich ist?“
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