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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ennio Flaiano
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Wand herumführte und sich in einer Schlucht verlor. Einen Ausweg auskundschaften aus diesem
glühenden Basalt, auf die Gefahr hin, unter der Sonne liegenzubleiben?«Los, entschließe dich, kehr um», sagte ich.
    Jetzt roch ich es - ich wollte mich keiner Täuschung hingeben, aber roch es tatsächlich -, den unerträglichen Gestank nach Aas, den Gestank eines toten Maultiers. Vielleicht war ich gerettet. Ich suchte mit den Augen, doch meine Hand griff schnell zur Pistole, während mein Herz mir einen Stoß versetzte. Ein Abessinier 1 saß am Boden und sah mich an: Er lehnte an einem Felsblock, stützte seinen knochigen Kopf mit einer Hand und sah mich an, starr, ohne sich zu bewegen, ein Auge geöffnet und eines halb geschlossen.
    Die Basaltwand warf meinen Schrei zurück; der Abessinier indes rührte sich nicht. Nur ein Schwarm von Raben, ein düsteres Feuerwerk, flog hinter ihm auf. Aber gleich kehrten die Raben zurück.
    Ich machte mich eilig davon, doch da sah ich noch eine zweite Leiche. Sie lag ausgestreckt da, die reglose Hand wies zum Himmel hinauf, und hinter ihr noch ein anderer Krieger, auf dem Bauch, den Kopf auf die Unterarme gelehnt, in vollkommener Ruhe: Vielleicht horchte er noch auf die Worte des anderen, der zum Himmel hinaufzeigte. Sie lagen inmitten der Überbleibsel ihres Lagerplatzes, zwischen leeren Benzinkanistern
und der Asche ihres Feuers, das zwischen zwei Steinen niedergebrannt war. Und über den Steinen ein Topf, worin irgendetwas vor langer Zeit aufgehört hatte zu kochen.
    Diesmal brachte mich nicht einmal das Eichhörnchen, das sitzenblieb, um mich sogar mit Sympathie anzuschauen, zum Lachen. Ich sagte mir immer wieder, wenn ich die Ruhe verlöre, wäre es aus. Wenn ich anfinge zu rennen (wozu ich wahrhaftig große Lust verspürte), wenn ich, um die Angst zu überwinden, losbrüllte, was würde ich damit erreichen? Ich musste in aller Ruhe nachdenken, mich im Schatten des am wenigsten unangenehmen Baumes ein Weilchen ausruhen. Doch dies waren nur Bruchstücke von guten Vorsätzen, die ich schon nicht mehr zu kontrollieren vermochte. Und meine Uhr war stehengeblieben.
    Und dieses Geräusch? Ich lauschte angespannt, um das tröstliche Geräusch eines Lastwagens zu hören; aber jetzt war ich zu weit weg, viel zu weit weg!
    Ich faltete die Landkarte auseinander und suchte den Fluss und das Dorf auf dem Hochland, das meine erste Etappe sein sollte. Verschiedene Pfade führten vom Fluss hinauf; ich fand den Übergang, die Stelle, wo die Brücke war. Alles war äußerst ungenau gezeichnet. Das Nebenflüsschen war gar nicht eingezeichnet, und die Namen der Pfade
besagten, was für romantische Vorstellungen den Topographen inspiriert hatten. Da er auf seiner Karte nicht so viele Stellen leer lassen konnte, hatte er nach eigener Lust und Laune kurze Sätze beigefügt wie etwa:«Möglicherweise Wohnstätte von Hirten», oder auch:«Hier sind viele Strauße anzutreffen.»Erst jetzt bemerkte ich, dass diese Karte uralt war, vor einem halben Jahrhundert gedruckt.
    Ich fasste wieder ein wenig Mut, als ich lachte und meine Nerven sich entspannten. Aber ich muss zugeben, dass der Klang meiner Stimme, die an diesem Ort beinahe fremd tönte, sehr bald dieser flüchtigen Heiterkeit ein Ende setzte und mich wieder in die schwärzeste Verzweiflung stürzte.«Hier komme ich nie mehr heraus», dachte ich. Die Vorstellung, die Nacht bei diesen Leichen zu verbringen und im Morgengrauen die Hand wiederzusehen, die mir den Himmel zeigte, erschien mir unerträglich. Noch einmal betrachtete ich die Karte: Dort war ein Pfad eingezeichnet, vielleicht war es gerade der, den ich vorher verlassen, oder es war die Abkürzung, der ich nicht zu folgen vermocht hatte. Er hieß Harghez .
    Ich machte mich wieder auf den Weg, kam wieder zu den beiden Terrassen, drang wieder ins dichte Gehölz ein. Nach einer Stunde setzte ich mich erschöpft neben einen Termitenhügel.

3
    Wieso hatte ich vorher dieses Dickicht von grünen Bäumen nicht gesehen? Wenn es so dicht belaubte Bäume gab, musste es auch Wasser geben, und wo Wasser ist, fehlt auch nie ein Weg. Einen Weg finden, ob er nun von Hirten, Straußen oder Krokodilen begangen wurde, oder einen Weg ohne Namen, mit seiner üblichen Maultierleiche vom Tross, oder auch mit einem Soldaten, der eine Zeitung vom vergangenen Monat liest! Angesichts seiner Verlegenheit würde ich meine ganze Ruhe wiederfinden und sagen:«Geht’s hier entlang?»
    Ich hob meine Sachen auf und lief auf

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