Alles paletti
vorbeizufahren, die gesamte Fracht abzuliefern, sich zu entschuldigen und kein Geld zu verlangen. Das machte er eine ganze Woche lang, allein. Er fuhr nach Texas und Florida (er kam sogar an Cape Canaveral vorbei, als die Columbia landete), brachte Joachim Basendwarf sein Hab und Gut zurück sowie Lisa und Karl Lemmon, die bereits nicht mehr darauf gehofft hatten, ihre Sachen jemals wiederzusehen. Er plante, nach New York zurückzukehren und eine neue Umzugsfirma zu gründen, die sauber und zuverlässig sein würde. Er wollte den Lastwagen wieder blau lackieren lassen, er wollte Ryder das Geld zurückzahlen, das er ihnen schuldete, er wollte sich bei Uncle Sam, Argamani, seinen Arbeitern, bei Schlomi, Chen und Nurit, schlicht bei allen entschuldigen. Er wollte ein neues Kapitel anfangen.
Doch all diese Pläne hielten nur etwa einen guten Monat lang vor. Beim FBI war man wegen der ganzen Geschichte in Las Vegas hochgradig verärgert, vor allem weil man aus dem Millionengewinn weder Vladimir Berkovich und seiner ukrainischen Zatoka-Bande noch Chaim Galils israelischer Sababa-Truppe einen Strick zu drehen vermocht hatte. Eine Menge Sicherungen waren in New York durchgebrannt, und jemand musste dafür bezahlen. Eines Tages, Ende Mai 1998, um 10.15 Uhr vormittags, führte Staatsanwalt Joey Cortny, Leiter der Sondereinsatztruppe für Immigrationsdelikte in New York, mit etwa dreißig Agenten in einer konzertierten Aktion von INS, IRS, FBI, State Department und Zoll eine Razzia in den Büroräumen von Sababa Moving and Storag’e in Midtown Manhattan durch. Ein Computer, ein Faxgerät, ein Fernseher, fünf Gramm Gras und eine Bhangpfeife wurden beschlagnahmt. Die Bewohner wurden festgenommen, da die Räume nur zu Bürozwecken ausgewiesen waren. Chaim Galil erhielt eine Geldstrafe von einigen zehntausend Dollar und wurde aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen. Die Arbeiter, die zum Zeitpunkt der Razzia zu Hause angetroffen wurden, Jotam und Ohed, wurden ebenfalls ausgewiesen. Keiner von ihnen durfte jemals wieder einen Fuß auf amerikanischen Boden setzen. Nurit, Chaims Gefährtin, die sich während der Razzia nicht in der Wohnung aufhielt, blieb in Amerika und brach den Kontakt zu Chaim ab.
Schlomi heiratete im gleichen Sommer, wie geplant, Nili aus Petach Tikwa. Er war glücklich mit ihr. Sie begannen sofort, an der Gründung einer Familie zu arbeiten. Mit dem Geld eröffnete er ein Geschäft in Manhattan - einen kleinen Laden für Tabak und Zeitungen auf der Upper West Side, nahe dem
Central Park. Es gelang ihm, durch einen besonders günstigen Deal das Geschäft von jemandem in der Gemeinde zu erwerben, der dringend nach Israel zurückkehren musste, da sein Vater gestorben war. Einmal suchte Sylvester Stallone sein Geschäft auf. Schlomi fragte ihn: »Erinnern Sie sich an mich? ›Rambo drei‹? Die Wüste Jehuda, Israel?«
Stallone musterte ihn ein paar Sekunden und sagte dann: »Doch, ja, ich erinnere mich. Eres, nicht wahr?«
Schlomi korrigierte ihn: »Schlomi«, und drückte warm seine Hand.
Stallone nickte: »Richtig, Schlomi.«
Bevor Sababa Moving and Storag’e geschlossen wurde, versöhnte sich Chaim mit Jonsy und Chen im Rahmen seiner Wiedergutmachungsexpedition. Jonsy beschloss, in New York zu bleiben. Er war überzeugt, dass sich Chaim nach dieser Tour geändert hatte. Er plante, die Wohnung an der 39. Straße mit Chen zu verlassen und in eine eigene Wohnung zu ziehen.
Doch dann kam die Razzia, die dem Leben von Sababa ein Ende setzte.
Jonsy und Chen hielten sich zur Zeit der Razzia nicht in der Wohnung auf. Sie verloren zwar einige Sachen und Kleider, doch nicht ihr Recht, in New York zu wohnen. Sie fanden ein Loft in Brooklyn. Jonsy kaufte einen Lastwagen und gründete eine eigene kleine Umzugsfirma. Er taufte sie »Der letzte Mohikaner«. Er arbeitete im Frühling, Sommer und Herbst, und jeden Winter reiste er nach Jerusalem, zur Erholung. Seine Eltern traf er ein einziges Mal, als sie noch religiös waren. Später ließen sie sich scheiden, und seine Mutter wurde wieder normal. Chen begann in jenem Herbst, an der Columbia zu studieren. Wenn Jonsy sie sah, wie sie an Winterabenden mit vor
Kälte geröteten Wangen und funkelnden Augen nach Hause zurückkam, reizte auch ihn der Gedanke, etwas zu studieren. Er dachte an Psychologie, eventuell. Aber dann überlegte er weiter und sagte sich, vielleicht nicht jetzt. Der Gedanke juckte ihn immer wieder einmal, doch er verschob die Entscheidung
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