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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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sich zu schleudern. Doch der erwischte mit der Hand seinen Oberarm, zerrte heftig an seinem T -Shirt, bis es riss. Dreckige Hände lagen an seinem Hals. Tim fasste dem anderen ins Gesicht, rang nach Luft. Drehte den Kiefer so weit nach rechts, bis die Hände seinen Hals losließen und der Angreifer zurücktaumelte.
    Kurz Luft holen.
    Den Drahtigen hatte er nicht gesehen. Er griff von hinten an. Trat Tim gegen den Steiß. Schmerz schoss die Wirbelsäule hoch. Da vergaß er sich, nahm den schmalen Körper wie einen Sack, schleuderte ihn gegen den Baum. Eine Flasche verfehlte nur knapp seine Schulter. Wo kam die her? Der Große war schnaufend aufgestanden. Blutete, nahm Anlauf.
    Schnell riss Tim die Fäuste hoch. Unbeholfen rannte ihm der Typ in die Rechte, fiel benommen zu Boden. Der Kleine mit den Pickeln hatte sein Shirt ausgezogen, Tim sah einen Adler auf der Brust.
    Er spürte noch immer einen stechenden Schmerz im Rücken. Der Tritt gegen den Steiß war heftig gewesen.
    Pickelgesicht tanzte jetzt wie ein Boxer vor ihm herum. Er reichte ihm nur bis zur Brust. Auf der großporigen Haut glänzte der Schweiß, in seinem Blick lag reiner Hass. Tim sah die Faust nicht kommen. Hart landete sie auf dem Kehlkopf, und er ging hustend zu Boden. Spürte einen Hering in der Seite und Sand und Steinchen im Gesicht. Er japste nach Luft. Atmete Sand ein und hörte sie grölen. Siegesgeheul. Dann spürte er Tritte, Schläge.
    Sie trafen wie schwere Steine auf den Körper. Er wand sich vor Schmerz. Versuchte, Bauch und Unterleib zu schützen, aber er konnte die Tritte nicht abwehren. Rang immer verzweifelter nach Luft. Die kleinen Steine schnitten ins Gesicht, und sein Blut färbte den Sand rot. Dann ein heftiger Schmerz am Kopf. Einer hatte zugetreten. Mit halber Kraft. Sofort wurde Tim übel. Er spürte nichts mehr. Es wurde still.
    Wie Blasen, die aufstiegen, sah er verzerrte Bilder. Aus dem Unterbewusstsein quollen sie hervor. Peters verzerrtes Gesicht. Ein Zelt hinter ihm. Seine Faust. Geballt und dreckig. Ein Mund, der tonlos schreit. Ein schriller Ton. Von irgendwoher. Das Gesicht ganz nah. Blut an der Schläfe. Nur noch der schrille Ton im Kopf.
    Dann legte sich ein Mantel aus Schwarz über den Schmerz.

4
    »Mister … hey, Mister! Können Sie mich hören?«
    Eine weit entfernte Stimme.
    Blinzeln. Sein Kopf schmerzte. Unter großer Anstrengung öffnete er die Augen einen Spaltbreit. Der Platzwart stand, auf einen Stock gestützt, über ihn gebeugt. Hielt ihm ein tropfendes, dreckiges Tuch hin.
    »Sie müssen es schon selbst nehmen. Kann mich nicht zu Ihnen runterbeugen.« Er ächzte.
    Ein dicker, kühler Tropfen fiel in Tims Gesicht. Mühsam hob er den Arm, seine schmerzende Hand nahm den Lumpen. Der kalte Lappen tat gut.
    »Mister, soll ich einen Krankenwagen rufen?« Der Alte klang besorgt, »Mir wäre lieber, nicht, ich will keinen Ärger.«
    Tim winkte ab.
    »Die Bengels sind abgezogen. Haben Sie ganz schön zugerichtet. Hatten wohl Schiss, dass Sie in der Kiste landen.« Sein heiseres Lachen dröhnte in Tims Kopf.
    Langsam humpelte er hinter dem Alten her zum Airstream. Sein ganzer Körper schmerzte. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Das rechte Auge war zugeschwollen. Er spürte, dass sich Gewebswasser unter der Braue gesammelt hatte. Er konnte das Lid kaum öffnen.
    Seine Unterlippe war aufgeplatzt. Er hatte Schürfwunden an den Händen. Verdammt.
    Das Licht hatte sich bläulich gefärbt. Bald würde die Sonne untergehen. Er musste einige Stunden dagelegen haben.
    Der Platz hatte sich inzwischen mit Zelten und Wohnwagen gefüllt. Überall warfen Leute den Grill an. Kinder spielten Federball. Zwei kleine Mädchen starrten ihn an. Flüsterten miteinander.
    Der Weg zum Airstream schien endlos.
    In dem Wagen roch es nach Katzenfutter. Auf dem Boden stapelten sich Zeitschriften und Tageszeitungen. Der Alte musste seit den Fünfzigerjahren alles aufgehoben haben.
    Auf den Papierstapeln standen schmierige Teller, darauf Tassen mit getrocknetem Kaffeesatz. Die Wände waren übersät mit Fotos in schiefen Rahmen. An der Längsseite prangte ein verschlissener »Lakers«-Wimpel.
    Tim musste sich ducken. Der Raum war zu niedrig. Er spürte sofort einen Druck auf der Brust.
    Der Alte bot ihm einen verschlissenen Sessel an. Verscheuchte die fette Katze, die darin schlief. Stöhnend fischte er hinter einem Zeitungsstapel aus einer Holzkiste eine Flasche Bourbon hervor. Bot Tim ein Glas an.
    Eingezwängt saß er in

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