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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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Er suchte nach Worten. »Ich … das wusste ich nicht.« Er riss sich zusammen. »Das tut mir leid.«
    Wieder Stille.
    »Meine Mutter kommt später wieder. Wenn Sie …«
    »Ja. Gut. Ich melde mich wieder. Danke.« Er legte auf.
    Seine Hand wollte das Handy ins Meer schleudern. Peter war seit zwei Jahren tot.
    Er setzte sich in den feuchten Sand. Suchte nach einer neuen Zigarette. Fuck!
    Hatte Liz das gewusst? Seine Gedanken rasten. Er wählte ihre Nummer. Wieder die Ansage: Die Nummer existierte nicht mehr. Er sprang auf die Füße. Humpelte, so schnell er konnte, gegen den Wind zum Wasser.
    Als er die kalten Wellen an den Füßen spürte, schmiss er das Handy in die Dunkelheit. Schrie laut auf.
    Sein bester Freund war tot. War schon tot, als Liz gegangen war. War tot, als er gefeuert wurde.
    Seit zwei Jahren tot.
    Tim hatte nicht Abschied nehmen können. Hatte nichts klären können. Nie wieder Gespräche, nie wieder Peters Hand auf seiner Schulter.
    Er hinterließ Sandspuren auf dem braunen Teppich, als er später ins Zimmer zurückkam.
    In der Tasche fand er die Flasche Whiskey.
    Seine Schulter schmerzte, als er sich auf das schmale Bett warf. An der Zimmerdecke sah er gelbe Wasserränder.
    Peter Heffner war tot. Weg. Wie Liz. Wie sein Job. Einfach weg.
    Abwesend schaltete er den Fernseher ein, zappte sich durch die Kanäle. Blieb irgendwo hängen. »Stirb langsam.« Bruce Willis. Alan Rickman. Er hatte den Film zigmal gesehen. John McClane rettet seine Frau aus den Händen von Terroristen. Der unerschrockene Cop gegen den Rest der Welt.
    Der Whiskey war warm. Er brauchte einen richtigen Drink. Und eine Dusche.
    Die Schnitte schmerzten, als er sich einseifte. Die Duschkabine war zu klein, also ließ er die Tür offen stehen.
    Das Telefongespräch kam ihm jetzt wie ein surrealer Traum vor. Peter war tot.
    Wo war er gewesen? Liz hätte ihm von Peters Tod berichten müssen. Oder hatte auch sie keinen Kontakt mehr gehabt?
    Matt trocknete er sich mit dem kleinen Handtuch ab. Ihm war schwindelig. Das Wasser aus dem Kran schmeckte nach Chlor.
    Er würde in die Bar nebenan gehen. Ein paar Drinks. Abschalten, die Gedanken zum Stillstand bringen. Nur das Flackern des Fernsehers erhellte das kleine Zimmer.
    John McClane rannte verschwitzt mit gezogener Waffe durch eine dunkle Gasse. Tim ließ sich nackt aufs Bett sinken. Dachte an einen großen Kondor, der im Müll eines Walmart pickte.
    Dann schlief er ein.
    Als er erwachte, war es fünf Uhr morgens. Die nackte Haut kalt. Er fand sich nicht sofort zurecht. Das braune Zimmer. Wellenrauschen. Der Fernseher lief.
    Peter. Es fiel ihm wieder ein. Er griff den muffigen Bettüberwurf, rollte sich ein.
    Shit.
    Immer noch »Stirb langsam«. Der Sender wiederholte den Film. Endlosschleife. Er drehte den Ton ab. Spürte die Schnitte und Schürfwunden am ganzen Körper. Der Rücken schmerzte.
    Er vermisste Liz. Vermisste ihren warmen, schmalen Körper neben sich. Ihren ruhigen Atem. Das wirre Haar im verschlafenen Gesicht, morgens. Ihre sanfte Gegenwart.
    Vermisste Derek. Den großen Jungen, auf den er heimlich stolz war. Zu heimlich. Verdammt, wann hatte er dem Sohn zum letzten Mal gesagt, dass er stolz auf ihn war? Über die Jahre hatte sich so etwas wie stiller Neid eingeschlichen. Neid, dass der Sohn tat, was er liebte. Dass er gerne zur Arbeit ging. Und erfolgreich war.
    Mühsam schälte er sich aus der klebrigen Decke. Er hatte Hunger, brauchte einen Kaffee.
    Er schloss die Tür hinter sich ab.
    Das Motel war gut. Ein sicherer Ort irgendwo zwischen gestern und morgen. Er verlängerte spontan um zwei Tage. Die alte Dame war jetzt weniger reserviert. »Heute Abend spielt nebenan eine Live Band!«, sagte sie. Dazu ein aufmunterndes Lächeln.
    Er nickte und humpelte zu seinem Wagen. Benommen fuhr er zurück zum Diner.
    Unaufgefordert stellte sie einen dampfenden Kaffeepott vor ihm ab. Das Diner war menschenleer. Hatte gerade erst geöffnet. Sie nahm sich selbst auch einen Kaffee, setzte sich neben ihn. Sie trug dieselbe Uniform. Jetzt ohne Schürze.
    Sie öffnete ein Fenster, bot ihm eine Zigarette an.
    »So früh kommt keiner …«
    Still saßen sie da. Rauchten.
    Der mexikanische Koch steckte den Kopf durch das kleine Fenster zur Küche. »Shirley! Was ist mit der Zigarette?«
    »Mach dir keinen Kopf, Carlos! Mach lieber ein paar Eier und Speck!« Sie schenkte ihm ein verschwörerisches Lächeln.
    Der Kopf verschwand. Bald zog der Duft nach gebratenem Speck herüber.
    Rauchend

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