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Als der Meister starb

Als der Meister starb

Titel: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Frieden von Jerusalem’s Lot, aber dann wiederholte sich das Schicksal. Wir waren vorsichtig, aber nicht vorsichtig genug. Nach und nach begannen die Menschen in den benachbarten Orten zu ahnen, dass die Einwohner des kleinen Dorfes anders waren als sie, und alles begann von vorne.«
    »Sie haben sie … umgebracht?«, fragte ich stockend.
    »Nicht sofort«, erwiderte Andara. »Aber sie begannen sich vor ihnen zu fürchten. Später hassten sie sie. Ich war einer der wenigen, die die Gefahr erkannten, ich und die vier anderen Großmeister der Macht. Ich habe sie gewarnt, aber sie wollten nicht auf mich hören. Und schließlich verließ ich sie, weil ich wusste, was geschehen würde.« Er seufzte. »Ich hätte es nicht tun dürfen. Ich habe sie verraten, Robert. Ich habe sie im Stich gelassen und bin geflohen wie ein Feigling.« Wieder stockte er. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und sein Atem ging schnell und schwer. »Es war wie in Salem, nur schlimmer, viel schlimmer. Die Einwohner der Nachbarorte rotteten sich zusammen und fielen mit Feuer und Tod über Jerusalem’s Lot her. Sie haben sie getötet. Fünfzig unschuldige Männer, Frauen und Kinder.«
    »Aber was … hätten Sie tun können?«, fragte ich hilflos. »Sie wären auch getötet worden und …«
    »Vielleicht«, unterbrach mich Andara. »Aber vielleicht hätte ich sie retten können. Wir waren fünf, Robert, fünf Hexer. Unsere vereinten Kräfte hätten vielleicht gereicht, den Mob zurückzuhalten. Vielleicht hätten ein paar Zeit gefunden zu fliehen. Aber sie starben, weil ich ihnen nicht half. Aber ihr Fluch lebte weiter, Robert. Sie waren Hexer wie ich, und der Fluch eines Hexers erlischt nicht mit seinem Tod. Es ist mehr als zwanzig Jahre her. Seitdem bin ich auf der Flucht.«
    »Vor Toten?«, keuchte ich fassungslos.
    »Vor ihrem Fluch«, antwortete Andara. »In ihren Augen war ich ein Verräter. Vielleicht haben sie sogar recht, und vielleicht wäre es meine Pflicht gewesen, zu bleiben und gemeinsam mit ihnen zu sterben. Aber ich habe mir eingebildet, ich könnte davonlaufen!« Er lachte schrill. »Als ich unten in der Kabine lag und ihr alle glaubtet, ich wäre krank, habe ich in Wirklichkeit versucht, meine Spur zu verwischen. Ich Narr!«
    »Aber zwanzig Jahre …«
    »Was bedeutet Zeit vor dem Fluch eines Hexenmeisters?« unterbrach er mich erregt. »Ich habe mir eingebildet, stark genug zu sein, aber ich war es nicht.« Er fuhr herum und starrte nach Norden. »Mein Gott, was war ich für ein Narr!«, wiederholte er. »Vielleicht habe ich ihn gerade durch meine Anstrengungen erst auf unsere Spur gebracht. Ich fühlte mich sicher, Robert. Dreitausend Meilen und zwanzig Jahre von Jerusalem’s Lot entfernt fühlte ich mich sicher genug, den Fluch brechen zu können. Aber er hat mich endlich doch eingeholt.«
    »Er?«
    Andara wies nach Norden. »Das Wesen, das sie riefen, um mich zu bestrafen. Das Werkzeug ihrer Rache. Yog-Sothoth, der Schrecklichste der Großen Alten. Diese Narren! Wie müssen sie mich gehasst haben, diese Wesen aus den Abgründen der Zeit heraufzubeschwören, nur um mich zu töten.«
    Yog-Sothoth … Der Name hallte ein paar Mal hinter meiner Stirn wieder, und erneut und viel stärker als beim ersten Mal hatte ich das Gefühl, mich an Dinge zu erinnern, die ich niemals erlebt hatte. Alte und schreckliche Dinge, ein Wissen, das zu furchtbar war, um von Menschen angerührt zu werden. Plötzlich fror ich.
    »Können Sie es … vernichten?«, fragte ich stockend.
    Andara lachte bitter. »Vernichten? Yog-Sothoth vernichten? Das kann ich nicht. Niemand kann das, Junge. Ein Kind kann einen Waldbrand zwar legen, aber nicht mit bloßen Händen löschen. Die Macht von vier Hexern hat ausgereicht, ein Tor zu öffnen, das die Macht von viertausend nicht mehr schließen kann.« Er wies mit einer fast zornigen Geste aufs Meer hinaus. »Er wird mich töten, egal, wie weit ich vor ihm davonlaufe, Robert. Meine Macht reicht vielleicht, ihn zurückzuhalten, eine Stunde, vielleicht zwei. Vielleicht lange genug, dass du und die Männer das Schiff verlassen könnt. Danach wird er mich holen. Und ich werde nicht mehr davonlaufen.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn!«, entfuhr es mir. »Dieses … dieses Ding kann nicht an Land. Wir können ein Boot nehmen und …«
    »Ich habe schon zu vielen den Tod gebracht, Robert«, unterbrach mich Andara sanft. »Es sind genügend Unschuldige gestorben, nur weil ich einmal in meinem Leben feige war. Ich bin

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