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Als der Meister starb

Als der Meister starb

Titel: Als der Meister starb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dabei, wie ich nach Norden sah und den gewaltigen dunklen Umriss unter der Wasseroberfläche suchte. Er war nicht mehr zu sehen, aber ich wusste, dass er noch da war. Irgendwo, ganz in unserer Nähe.
    Andara entzündete seine Zigarre, nahm einen tiefen Zug und blies eine Rauchwolke von sich. »Du hast mich gefragt, ob diese Männer recht haben«, begann er. »Ob ich wirklich den Tod bringe. Ich fürchte, sie haben recht, Robert. Aber vielleicht hat jetzt bald alles ein Ende.« Er nahm einen weiteren Zug aus seiner Zigarre und sah mich an. »Ich hatte alles anders geplant«, murmelte er. »Und es schien alles so sicher. Ich hatte große Pläne mit dir, und jetzt muss alles so schnell gehen. Erinnerst du dich an das Buch, das ich dir zeigte? Und an meine Krankheit?«
    Seine Worte jagten mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Er sprach so ruhig, als wäre überhaupt nichts geschehen. Die beiden Toten auf dem Deck unter uns schien er bereits vergessen zu haben. »Ja«, antwortete ich gepresst. »Aber was hat das mit dem Ungeheuer zu tun?«
    »Alles«, antwortete er. »Vielleicht ist es gut, dass du niemals Gelegenheit haben wirst, es zu lesen. Aber ich will dir wenigstens erzählen, was darin steht. Das Buch ist die Chronik meiner Heimat, der Stadt, in der ich geboren wurde und in der alles begonnen hat. Die Chronik von Jerusalem’s Lot.«
    »Jerusalem’s Lot?«, fragte ich. »Was ist das?«
    »Hast du schon einmal von Salem gehört?«, erwiderte Andara, ohne direkt auf meine Frage zu antworten.
    Ich nickte.
    »Die Stadt der Hexen«, fuhr er fort. »Ein Dorf, dessen Einwohner sich dem Teufel verschrieben hatten – so behauptete man, damals. Es ist über hundert Jahre her, und die meisten haben es wohl schon vergessen. Salems Einwohner haben niemals wirklich dem Teufel gedient, aber sie beherrschten die Schwarze Magie; so wie ich.«
    »Sie wurden … getötet, nicht?«, fragte ich stockend. Ich erinnerte mich. Ich hatte von Salem gehört, so wie man eben von einer solchen Sache hört, doch natürlich hatte ich nicht wirklich daran geglaubt. Unter allen anderen Umständen wäre mir albern vorgekommen, was Andara erzählte, ja, ich hätte mich wahrscheinlich sogar darüber lustig gemacht. Aber jetzt rührten mich seine Worte auf seltsame unangenehme Weise an. Fast, als würden durch sie Erinnerungen geweckt. Erinnerungen, die ich nicht haben konnte …
    »Sie wurden getötet«, bestätigte er. »Die meisten jedenfalls. Die Menschen in den umliegenden Ortschaften hatten Angst vor ihnen, Robert. Sie waren nicht wirklich böse. Sie dienten weder dem Teufel noch anderen finsteren Mächten, sondern hatten sich nur ein Wissen bewahrt, das der größte Teil der übrigen Menschheit längst verloren hat. Ein uraltes Wissen, das Wissen um Dinge, die lange vor unserer Zeit waren. Aber die anderen glaubten, sie wären mit Satan im Bunde, und eines Tages rotteten sie sich zusammen und töteten sie in einer einzigen, blutigen Nacht.«
    Er schwieg einen Moment, und das Gefühl gestaltloser Furcht in mir wurde stärker. Ich versuchte es zu verdrängen, aber es ging nicht. Für einen Moment glaubte ich Schreie zu hören. Flackernde rote Lichtblitze huschten über das Meer, und in das Salzwasseraroma des Ozeans mischte sich ein Übelkeit erregender Gestank. Dann verschwand die Vision.
    »Aber nicht alle starben«, fuhr Andara fort. »Ein paar von ihnen entkamen, und sie siedelten sich an einem neuen Ort an, tausend Meilen entfernt und unbemerkt von den anderen. Das Erbe von Salem lebte weiter.«
    »Jerusalem’s Lot?«
    Andara nickte. »Ja. Sie wählten diesen Namen, weil sie die Menschen kannten und wussten, wie leicht sie zu täuschen waren. Nach außen hin waren sie gläubige Menschen, Männer und Frauen, die täglich in den Gottesdienst gingen und ihre Kinder in christlichem Glauben erzogen. Aber sie haben niemals vergessen, was ihnen angetan wurde.«
    »Und Sie sind … einer von ihnen?«
    Andara lächelte verzeihend. »Nein, Robert. Niemand von denen, die aus Salem entkamen, lebt noch. Niemand bis auf … einen«, fügte er hinzu. »Es war mein Großvater. Er war einer der wenigen, die dem Morden entkamen. Er und eine Hand voll Männer und Frauen. Er zeugte meinen Vater und gab das verbotene Wissen an ihn weiter, und mein Vater lehrte es mich.« Er senkte den Blick, und als er weitersprach, klang seine Stimme bitter. »Die Menschen sind grausam, Robert, viel grausamer, als du ahnst. Ein Jahrhundert lang störte niemand den

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