Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
nicht irgendwo ein Gespenst auf mich zukomme. Endlich nahm ich mir vor, gar nicht mehr an solches Zeug zu denken, aber je fester ich das beschloss, desto mehr dachte ich daran.
Nun war ich zum Pfad gekommen, der mich von der Straße abwärts durch den Wald und in das Tal führen sollte. Ich bog ab und eilte unter den langästigen Bäumen dahin. Die Wipfel rauschten stark und dann und wann fiel ein Schneeklumpen neben mir nieder. Stellenweise war es auch so finster, dass ich kaum die Stämme sah, wenn ich nicht an dieselben stieß, und dass ich den Pfad verlor. Letzteres war mir ziemlich gleichgültig, denn der Schnee war nicht sehr tief, auch war anfangs der Boden hübsch glatt; aber allmählich begann er, steil und steiler zu werden, und unter dem Schnee war viel Gestrüpp und hohes Heidekraut. Die Baumstämme standen nicht mehr so regelmäßig, sondern zerstreut, manche schief hängend, manche mit aufgerissenen Wurzeln an anderen lehnend, manche mit wild und wirr aufragenden Ästen am Boden liegend. Das hatte ich nicht gesehen, als wir aufwärtsgingen. Ich konnte oft kaum weiter, ich musste mich durch das Gesträuche und Geäste durchwinden. Oft brach der Schnee ein, das steife Heidekraut reichte mir bis zur Brust heran. Ich sah ein, dass ich den rechten Weg verloren hatte, aber war ich nur erst im Tale und bei dem Bache, dann ging ich diesem entlang aufwärts und da musste ich endlich doch zur Mühle und zu unserer Wiese kommen.
Schneeklumpen fielen mir in das Rocktäschchen, Schnee legte sich an die Höschen und Strümpfe und das Wasser rann mir in die Schuhe hinab. Zuerst war ich durch das Klettern über das Gefälle und das Kriechen in dem Gesträuche müde geworden, aber nun war auch die Müdigkeit verschwunden; ich achtete nicht den Schnee und ich achtete nicht das Heidekraut und Gesträuche, das mir oft rau über das Gesicht fuhr, sondern ich eilte weiter. Oft fiel ich zu Boden, aber ich raffte mich schnell auf. Auch alle Gespensterfurcht war weg; ich dachte an nichts als an das Tal und an unser Haus. Ich wusste nicht, wie lange ich mich so durch die Wildnis schlug, aber ich fühlte mich kräftig und behände, die Angst trieb mich vorwärts.
Plötzlich stand ich vor einem Abgrund. In dem Abgrunde lag grauer Nebel, aus welchem einzelne Baumwipfel emportauchten. Um mich hatte sich der Wald gelichtet, über mir war es heiter und am Himmel stand der Halbmond. Mir gegenüber und weiter im Hintergrunde waren nichts als seltsame, kegelförmige, waldige Berge.
Unten in der Tiefe musste das Tal mit der Mühle sein; mir war, als hörte ich das Tosen des Baches, aber es war das Rauschen des Windes in den jenseitigen Wäldern. Ich ging rechts und links und suchte einen Fußsteig, der mich abwärtsführte, und ich fand eine Stelle, an welcher ich mich durch Gerölle, welches vom Schnee befreit dalag, und durch Wacholdergesträuche hinablassen zu können vermeinte. Das gelang mir auch eine Strecke, doch noch zur rechten Zeit hielt ich mich an eine Wurzel, fast wäre ich über eine senkrechte Wand gestürzt. Nun konnte ich nicht mehr vorwärts. Ich ließ mich aus Mattigkeit zu Boden fallen. In der Tiefe lag der Nebel mit den schwarzen Baumwipfeln. Außer dem Rauschen des Windes in den Wäldern hörte ich nichts. Ich wusste nicht, wo ich war. – Wenn jetzt ein Reh käme, ich würde es fragen nach dem Weg, vielleicht könnte es ihn mir weisen, in der Christnacht reden ja Tiere die menschliche Sprache! –
Ich erhob mich, um wieder aufwärtszuklettern; ich machte das Gerölle locker und kam nicht vorwärts. Mich schmerzten Hände und Füße. Dann stand ich still und rief, so laut ich konnte, nach dem Großknecht. Meine Stimme fiel von den Wäldern und Wänden lang gezogen und undeutlich zurück.
Dann hörte ich wieder nichts als das Rauschen des Windes.
Der Frost schnitt mir in die Glieder.
Nochmals rief ich mit aller Macht den Namen des Großknechtes. Wieder nichts als der lang gezogene Widerhall. Nun überkam mich eine fürchterliche Angst. Ich rief schnell hintereinander meine Eltern, meine Ahne, alle Knechte und Mägde unseres Hauses. Es war vergebens.
Nun begann ich, kläglich zu weinen.
Bebend stand ich da und mein Körper warf einen langen Schatten schräg abwärts über das nackte Gestein. Ich ging an der Wand hin und her, um mich etwas zu erwärmen, ich betete laut zum heiligen Christkind, dass es mich erlöse.
Der Mond stand hoch am dunklen Himmel.
Ich konnte nicht mehr weinen und beten, ich konnte mich
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