Als ich noch der Waldbauernbub war - Arena Kinderbuch-Klassiker
von ihr heraus, als dass sie im Walde das Christkind gesucht habe; dann ging sie einmal zu meinem Bette und sah mich an und ich fürchtete mich vor ihren Blicken. –
In dem hinteren Geschosse unseres Hauses war eine Kammer, in welcher nur altes, unbrauchbares Gerät und viel Spinnengewebe waren.
Diese Kammer gab mein Vater der Mooswaberl zur Wohnung und stellte ihr einen Ofen und ein Bett und einen Tisch hinein.
Und sie blieb bei uns. Oft strich sie noch in den Wäldern umher und brachte Moos heim, dann ging sie wieder hinaus zur Kirche und saß stundenlang auf dem Grabhügel ihres Mannes, von dem sie nicht mehr fortzuziehen vermochte in ihre ferne Gegend, in der sie wohl auch einsam und heimatlos gewesen wäre wie überall. Über ihre Verhältnisse war nichts Näheres zu erfahren, wir vermuteten, dass das Weib einst glücklich und sicher bei voller Vernunft gewesen war und dass der Schmerz über den Verlust des Gatten ihr den Verstand geraubt hatte.
Wir hatten sie alle lieb, weil sie ruhig und mit allem zufrieden lebte und niemandem das geringste Leid zufügte. Nur der Kettenhund bellte und zerrte immer noch überaus heftig an der Kette, sooft sie über den Anger ging. Aber das war anders von dem Tiere gemeint; als einmal die Kette riss, stürzte der Hund auf das Weib zu, sprang ihm winselnd an die Brust und leckte ihm die Wangen.
Da kam einmal in den Spätherbsttagen, an welchen die Mooswaberl fast ununterbrochen auf dem Grabhügel saß, eine Zeit, in welcher unser Kettenhund, statt lustig zu bellen, stundenlang heulte, sodass meine Ahne, die indes schon mühselig geworden war, sagte: »Schau, jetzt wird in unserer Gegend herum bald einmal wer sterben, weil der Hund gar so heult; tröste ihn Gott!«
Und nach kurzer Zeit wurde die Mooswaberl krank, und als die Winterszeit gekommen war, starb sie.
In ihren letzten Augenblicken hielt sie noch meinen Vater und meine Mutter an der Hand und sprach die Worte: »Vergelt’s euch Gott zu tausend. Und zu tausendmal, bis in den Himmel hinauf!«
Weihnachten
Der erste Christbaum in der Waldheimat
B ist doch noch kommen! Wir haben schon g’meint, ’s Wetter! Der Nickerl hat schon g’röhrt, hat ‘glaubt, du kunntst im Schnee sein stecken blieben. Na, weil d’ nur da bist. Was magst denn gleich? Ein’ Eierspeis’? Ein’ Kaffee? Weihnachts-Guglhupf han ich auch schon.«
Kennt ihr sie? Kennt ihr sie nicht? Das ist ja die Stimme der Mutter!
Es waren die ersten Weihnachtsferien meiner Studentenzeit. Wochenlang hatte ich schon die Tage, endlich die Stunden gezählt bis zum Morgen der Heimfahrt von Graz ins Alpel. Und als der Tag kam, da stürmte es und die Flocken stoben, dass mein Eisenbahnzug stecken blieb ein paar Stationen vor Krieglach. Da stieg ich aus und ging zu Fuß, frisch und lustig, sechs Stunden lang durch das Tal, wo der Frost mir Nase und Ohren abschnitt, dass ich sie gar nicht mehr spürte; und durch den Bergwald hinauf, wo mir so warm wurde, dass die Ohren auf einmal wieder da waren, und heißer als je im Sommer. Die Nase vergaß ich, doch stak sie sicher fest im Gesicht, wo sie heute noch steckt. Auch mein Bündel Bücher schleppte ich, denn die Professoren waren so grausam gewesen, mir Hausaufgaben zu diktieren, besonders in der Mathematik und Grammatik, die ich heute noch hassen könnte bis aufs Blut, wenn es nicht gar so blutlose Wissenschaften wären.
So kam ich, als es schon dämmerte, glücklich hinauf, wo das alte Haus, schimmernd durch Gestöber und Nebel, wie ein verschwommener Fleck stand, einsam mitten in der Schneewüste. Als ich eintrat, wie war die Stube so klein und niedrig und dunkel und warm – und anheimelnd. In den Stadthäusern verliert man ja allen Maßstab für das Waldbauernhaus. Aber man findet sich gleich wieder hinein, wenn die Mutter den Ankömmling ohne alle Umstände so grüßt. »Na, weil d’ nur da bist!«
Auf dem offenen Steinherd prasselte das Feuer, in der guten Stube wurde eine Kerze angezündet.
»Mutter, nit!«, wehrte ich ab. »Tut lieber das Spanlicht anzünden, das ist schöner!«
Sie tat’s aber nicht. Das Kienspanlicht ist für die Werktage. Weil nach langer Abwesenheit der Sohn heimkam, war für die Mutter Feiertag geworden. Darum die festlichere Kerze.
Und für mich erst recht Feiertag!
Als sich die Augen an das Halblicht gewöhnt hatten, sah ich auch den Nickerl, das achtjährige Brüderlein. Es war das jüngste und letzte. Es stand in seinem Höslein gerade wie ein Bäumchen da und hatte
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