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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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    Die Soiree bei Madame Delacroix war ein Erfolg. Zwar pfiff um die Galerie des Herrenhauses ein eisiger Winterwind, doch die creme de la creme von St. Martinville war der Einladung gefolgt. In Samt und Brokat, Satin und Seide hatten sich die Gäste unter moosbehangenen Bäumen auf schlammigen Fuhrwegen zum Anwesen der Familie Delacroix kutschieren lassen.
    Madame wußte recht gut, daß nicht die beaux yeux der Gastgeberin sie hergeführt hatten, sondern die Neugier. Die Franzosen und Französinnen Louisianas waren schon seit gut siebzehn Jahren amerikanische Bürger und hatten sich, solange es dauerte, im Glanz des republikanischen Frankreich gesonnt, aber eine Königliche Hoheit faszinierte sie nach wie vor. War nicht ihre schöne Stadt als La Petite Paris bekannt? Und befanden sich nicht unter ihnen viele adelige emigres oder die Kinder derer, die der Schreckensherrschaft vor knapp dreißig Jahren entronnen waren? Es gab sogar einige, die sich noch an das Rumpeln der Karren und die blitzende Schneide Madame Guillotines erinnerten.
    Zwar stammte der Prinz, der vor kurzem hier angekommen war, aus irgendeinem obskuren Balkanland, aber königliches Geblüt war schließlich königliches Geblüt. Allerdings war sein Erscheinen heute abend äußerst unwahrscheinlich; mon Dieu, hätte Madame Delacroix dergleichen ernsthaft erwartet, hätte sie es sofort überall verkünden lassen! Aber man konnte tanzen, essen und trinken -Madames Diners waren berühmt. Und vielleicht hatte ja einer der Anwesenden in der Stadt einen Blick auf den hohen Gast erhascht, oder einer der Diener verkehrte mit den Negersklaven auf Petite Versailles, der Plantage von Monsieur de la Chaise, wo der Prinz wohnte.
    Geige, Horn und Klavier spielten fröhlich zu einem beschwingten Tanz auf, und die Konversation - Klatsch über Themen von gemeinsamem Interesse für die eng verwandten Familien der Gegend -plätscherte leicht dahin, denn man war vorsichtig und wollte niemandem zu nahe treten. An beiden Enden des langen, mit Seidentapeten bespannten Raums, der durch das Öffnen der Türen zwischen grande salle und petite salle entstanden war, loderte hell ein Feuer. Die Luft war geschwängert vom Rauch verbrannten Holzes und den diversen Parfüms der Damen, und auf den Kaminsimsen und über den Türen verströmten leuchtendgrüne Asparagusgirlanden Geruch nach Wald. Der gewachste Boden spiegelte das Licht der Kronleuchter und die pastellfarbenen Kleider der Frauen wider. Tänzer gingen ein und aus, Stimmen hoben und senkten sich, die Damen lächelten, und die Herren verneigten sich.
    Nur eine der Anwesenden beteiligte sich nicht an der ausgelassenen Fröhlichkeit. Angeline Fortin drehte sich auf dem Tanzboden und verzog ihre schönen, geschwungenen Lippen zu einem mechanischen Lächeln. Das Kerzenlicht beschien das seidige, kastanienrote Haar, das mit frei fallenden Locken a la belle aufgesteckt war, fiel auf die makellose Haut und verlieh den kupfernen Sprenkeln in den Tiefen ihrer graugrünen Augen einen geheimnisvollen Glanz. Sie kümmerte sich wenig um ihre Wirkung in dem griechischen Kleid von jungfräulichem Weiß. Am liebsten wäre sie gar nicht auf diese Soiree gegangen.
    Ihre Tante, Madame de Buys, hatte erklärt, sie solle sich nicht so anstellen. Nichts würde so seltsam aussehen und so viel Anlaß zu Gerede geben wie ihre Abwesenheit. Außerdem sei Helene Delacroix’ Abendgesellschaft eine ausgezeichnete Gelegenheit, etwas über diesen Prinzen zu erfahren, bevor er sie ausfindig machte. Es sei gut, den Feind zu kennen.
    Tante Berthe hatte natürlich recht, und weder der Tratsch noch das heitere Gelächter um sie her schien Anlaß zu Besorgnis zu geben. Dennoch heiterte sich ihre Stimmung nicht auf.
    »Sie sind heute abend so still, ma chere .«
    Lächelnd sah sie zu ihrem Partner auf. Er war der Sohn der Gastgeberin, ein ernster, stiller junger Mann mit dunklen Haaren und ei-nem gestutzten Schnurrbart über den vollen Lippen. »Ich weiß. Bitte haben Sie Nachsicht mit mir, Andre. Ich... ich habe ein wenig Migräne.«
    »Warum haben Sie mir nichts davon gesagt? Wir hätten den Tanz auslassen können. Ich wäre auch damit zufrieden gewesen, nur bei Ihnen zu sitzen. Ich gehöre nicht zu denen, die ständig unterhalten werden müssen.« Er sah sie an. Aus seinen Augen sprachen Wärme und Besorgnis, und die olivbraunen Züge waren gerötet.
    Angeline schüttelte den Kopf. »Da kenne ich Sie aber besser«, spottete sie, »Sie sind ein Wilder, ein

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