Als unser Kunde tot umfiel
Führungsposition zu erfüllen.“ Herr Tanner verzog nur das Gesicht, sagte aber nichts weiter dazu.
Das Unternehmen hatte bereits vor vier Jahren ein internes Traineeprogramm aufgelegt, um Mitarbeiterpotenziale besser zu nutzen und um Kosten für die aufwändige Suche am externen Arbeitsmarkt zu reduzieren. Dieses Jahr sollten wieder vier Bewerber ausgesucht werden. Die Trainees lernen dann in einem zweijährigen Programm zum einen alle Abteilungen im Unternehmen besser kennen, zum anderen sollen sie ihre theoretischen Kenntnisse in den Bereichen Mitarbeiterführung, HR-Management, Controlling und Qualitätsmanagement entwickeln.
„Also gut, dann treffen wir uns alle morgen früh um acht Uhr. Start ist um neun Uhr“, sagte Frau Sturz. Herr Tanner ergriff noch einmal das Wort. „Ich möchte noch zwei Sachen herausstellen, die mir für morgen und für die Teilnehmerauswahl ganz besonders wichtig sind. Erstens, alle sollen eine faire Chance erhalten. Ich will, dass wir eine Auswahl nach dem Prinzip: hire for attitude, train for skills machen. Kurzum ich will Leute, die motiviert sind, Fähigkeiten können sie auch später noch erlernen. Zweitens möchte ich alle noch einmal an unseren Dresscode erinnern. Es ist eine simulierte Businesssituation nicht nur für die Kandidaten, sondern auch für uns!“ Wir vier Beobachter nickten einstimmig wie die Wackeldackel und signalisierten, dass wir verstanden hatten, worum es unserem Chef ging.
Die ersten beiden Sequenzen des Assessment-Centers waren bereits gelaufen. Die Kandidaten waren ausnahmslos total aufgeregt. Die nächste Sequenz war das schwierige Mitarbeitergespräch. Die Kandidaten bekamen eine Instruktion über die Situation, die sie lösen sollten. Ein Mitarbeiter aus dem Team zeigt schlechte Leistungen und die Motivation lässt zu wünschen übrig. Ein Kritikgespräch steht an. Der Mitarbeiter, gespielt von einem Unternehmensberater, der sich auf Assessment-Center spezialisiert hat, sieht die Situation natürlich aus einem anderen Blickwinkel und ist versucht, dem Chef das Leben schwer zu machen. Als nächster Kandidat war Herr Schneider dran.
„Guten Tag“, begrüßte er den Mitarbeiter mit Handschlag, „bitte nehmen Sie Platz.“ Er gab den Gastgeber in der Rolle der Führungskraft. „Können Sie sich vorstellen, warum Sie heute hier sind?“, legte Schneider los. „Nein, ich habe keine Ahnung“, erwiderte der Berater in der Rolle des Mitarbeiters. „Sie haben mich doch herzitiert. Wissen Sie denn überhaupt, worüber Sie mit mir sprechen wollen?“ „Der setzt ihm aber ganz schön zu“, dachte ich. Schneider standen schon jetzt Schweißperlen auf der Stirn. „Also ja, ich äh, ich habe hier einen Auszug der letzten Verkaufszahlen und da sieht es bei Ihnen gar nicht gut aus. Können Sie sich das erklären?“, fuhr Schneider fort. „Nein, kann ich nicht und ich bezweifle sehr, dass Ihre Zahlen korrekt sind“, kam prompt die Antwort. Irgendwie begann mir Schneider leidzutun. Es wurde aber noch schlimmer, und als die zehn Minuten um waren, verließ er den Raum wie ein begossener Pudel.
„Das ging ja gar nicht“, sagte Herr Tanner sofort. „Also die vorherigen Situationen hat er ganz gut gemeistert“, wollte Frau Sturz dagegenhalten. „Nein, nein“, fuhr unser Chef unbeirrt fort. „Den Schneider können Sie schon jetzt von der Liste streichen. Was wollen wir mit einer Führungskraft, die keine Mitarbeitergespräche führen kann?“ So viel zu hire for attitude, dachte ich.
Palluch vs. Hinrichsen – Beuteschema oder Bauchgefühl
Hinrichsen: Das ist doch genau das Problem mit Assessment-Centern. Die sind meistens darauf ausgelegt herauszufinden, was man weiß und kann. Oder noch schlimmer: Man hat einen schlauen Assessment-Center-Ratgeber gelesen und weiß jetzt, welche Übungen drankommen und worauf Beobachter achten werden.
Palluch: Stimmt. Persönliche Motive, Durchhaltevermögen und Biss kann man da nur schwer beobachten. Schließlich ist alles eine gestellte Situation. Trotzdem kann man Anhaltspunkte bekommen.
H: Klar. Ich sage ja auch gar nicht dass Assessment-Center grundsätzlich nichts bringen, ich glaube nur, dass viele der grundsätzlichen Probleme bei der Mitarbeiterauswahl genauso vorkommen.
P: Du meinst, dass man häufig nach kleinen Klonen von sich selbst sucht oder Bewerber bevorzugt, die einem sympathisch sind? Ich erinnere mich an einen Personalverantwortlichen, bei dem komischerweise immer große blonde Frauen den Job
Weitere Kostenlose Bücher