Also sprach Zarathustra
durch Aushänge-Tugenden, durch glänzende falsche Werke.
Habt da eine gute Vorsicht, ihr höheren Menschen! Nichts nämlich gilt mir heute kostbarer und seltner als Redlichkeit.
Ist diess Heute nicht des Pöbels? Pöbel aber weiss nicht, was gross, was klein, was gerade und redlich ist: der ist unschuldig krumm, der lügt immer.
9.
Habt heute ein gutes Misstrauen, ihr höheren Menschen, ihr Beherzten! Ihr Offenherzigen! Und haltet eure Gründe geheim! Diess Heute nämlich ist des Pöbels.
Was der Pöbel ohne Gründe einst glauben lernte, wer könnte ihm durch Gründe Das - umwerfen?
Und auf dem Markte überzeugt man mit Gebärden. Aber Gründe machen den Pöbel misstrauisch.
Und wenn da einmal Wahrheit zum Siege kam, so fragt euch Mit gutem Misstrauen: "welch starker Irrthum hat für sie gekämpft?"
Hütet euch auch vor den Gelehrten! Die hassen euch: denn sie sind unfruchtbar! Sie haben kalte vertrocknete Augen, vor ihnen liegt jeder Vogel entfedert.
Solche brüsten sich damit, dass sie nicht lügen: aber Ohnmacht zur Lüge ist lange noch nicht Liebe zur Wahrheit. Hütet euch!
Freiheit von Fieber ist lange noch nicht Erkenntniss! Ausgekälteten
Geistern glaube ich nicht. Wer nicht lügen kann, weiss nicht, was
Wahrheit ist.
10.
Wollt ihr hoch hinaus, so braucht die eignen Beine! Lasst euch nicht empor tragen , setzt euch nicht auf fremde Rükken und Köpfe!
Du aber stiegst zu Pferde? Du reitest nun hurtig hinauf zu deinem
Ziele? Wohlan, mein Freund! Aber dein lahmer Fuss sitzt auch mit zu
Pferde!
Wenn du an deinem Ziele bist, wenn du von deinem Pferde springst: auf deiner Höhe gerade, du höherer Mensch - wirst du stolpern!
11.
Ihr Schaffenden, ihr höheren Menschen! Man ist nur für das eigne Kind schwanger.
Lasst euch Nichts vorreden, einreden! Wer ist denn euer Nächster? Und handelt ihr auch "für den Nächsten", - ihr schafft doch nicht für ihn!
Verlernt mir doch diess "Für", ihr Schaffenden: eure Tugend gerade will es, dass ihr kein Ding mit "für" und "um" und "weil" thut. Gegen diese falschen kleinen Worte sollt ihr euer Ohr zukleben.
Das "für den Nächsten" ist die Tugend nur der kleinen Leute: da heisst es "gleich und gleich" und "Hand wäscht Hand": - sie haben nicht Recht noch Kraft zu eurem Eigennutz!
In eurem Eigennutz, ihr Schaffenden, ist der Schwangeren Vorsicht und Vorsehung! Was Niemand noch mit Augen sah, die Frucht: die schirmt und schont und nährt eure ganze Liebe.
Wo eure ganze Liebe ist, bei eurem Kinde, da ist auch eure ganze Tugend! Euer Werk, euer Wille ist euer "Nächster": lasst euch keine falschen Werthe einreden!
12.
Ihr Schaffenden, ihr höheren Menschen! Wer gebären muss, der ist krank; wer aber geboren hat, ist unrein.
Fragt die Weiber: man gebiert nicht, weil es Vergnügen macht. Der Schmerz macht Hühner und Dichter gackern.
Ihr Schaffenden, an euch ist viel Unreines. Das macht, ihr musstet Mütter sein.
Ein neues Kind: oh wie viel neuer Schmutz kam auch zur Welt! Geht bei Seite! Und wer geboren hat, soll seine Seele rein waschen!
13.
Seid nicht tugendhaft über eure Kräfte! Und wollt Nichts von euch wider die Wahrscheinlichkeit!
Geht in den Fusstapfen, wo schon eurer Väter Tugend gierig! Wie wolltet ihr hoch steigen, wenn nicht eurer Väter Wille mit euch steigt?
Wer aber Erstling sein will, sehe zu, dass er nicht auch Letztling werde! Und wo die Laster eurer Väter sind, darin sollt ihr nicht Heilige bedeuten wollen!
Wessen Väter es mit Weibern hielten und mit starken Weinen und Wildschweinen: was wäre es, wenn Der von sich Keuschheit wollte?
Eine Narrheit wäre es! Viel, wahrlich, dünkt es mich für einen Solchen, wenn er Eines oder zweier oder dreier Weiber Mann ist.
Und stiftete er Klöster und schriebe über die Thür: "der Weg zum Heiligen," - ich spräche doch: wozu! es ist eine neue Narrheit!
Er stiftete sich selber ein Zucht- und Fluchthaus: wohl bekomm's! Aber ich glaube nicht daran.
In der Einsamkeit wächst, was Einer in sie bringt, auch das innere Vieh. Solchergestalt widerräth sich Vielen die Einsamkeit.
Gab es Schmutzigeres bisher auf Erden als Wüsten-Heilige? _Um_die_ herum war nicht nur der Teufel los, - sondern auch das Schwein.
14.
Scheu, beschämt, ungeschickt, einem Tiger gleich, dem der Sprung missrieth: also, ihr höheren Menschen, sah ich oft euch bei Seite schleichen. Ein Wurf missrieth euch.
Aber, ihr Würfelspieler, was liegt daran! Ihr lerntet nicht spielen und spotten, wie man spielen und spotten
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