Also sprach Zarathustra
Menschen-Zukunft. Gott starb: nun wollen wir , - dass der Übermensch lebe.
3.
Die Sorglichsten fragen heute: "wie bleibt der Mensch erhalten?" Zarathustra aber fragt als der Einzige und Erste: "wie wird der Mensch überwunden ?"
Der Übermensch liegt mir am Herzen, der ist mein Erstes und
Einziges, - und nicht der Mensch: nicht der Nächste, nicht der
Ärmste, nicht der Leidendste, nicht der Beste -
Oh meine Brüder, was ich lieben kann am Menschen, das ist, dass er ein Übergang ist und ein Untergang. Und auch an euch ist vieles, das mich lieben und hoffen macht.
Dass ihr verachtetet, ihr höheren Menschen, das macht mich hoffen. Die grossen Verachtenden nämlich sind die grossen Verehrenden.
Dass ihr verzweifeltet, daran ist Viel zu ehren. Denn ihr lerntet nicht, wie ihr euch ergäbet, ihr lerntet die kleinen Klugheiten nicht.
Heute nämlich wurden die kleinen Leute Herr: die predigen Alle Ergebung und Bescheidung und Klugheit und Fleiss und Rücksicht und das lange Und-so-weiter der kleinen Tugenden.
Was von Weibsart ist, was von Knechtsart stammt und sonderlich der Pöbel-Mischmasch: Das will nun Herr werden alles Menschen-Schicksals - oh Ekel! Ekel! Ekel!
Das frägt und frägt und wird nicht müde: "Wie erhält sich der
Mensch, am besten, am längsten, am angenehmsten?" Damit - sind sie die
Herrn von Heute.
Diese Herrn von Heute überwindet mir, oh meine Brüder, - diese kleinen Leute: die sind des Übermenschen grösste Gefahr!
Überwindet mir, ihr höheren Menschen, die kleinen Tugenden, die kleinen Klugheiten, die Sandkorn-Rücksichten, den Ameisen-Kribbelkram, das erbärmliche Behagen, das "Glück der Meisten" -!
Und lieber verzweifelt, als dass ihr euch ergebt. Und, wahrlich, ich liebe euch dafür, dass ihr heute nicht zu leben wisst, ihr höheren Menschen! So nämlich lebt ihr - am Besten!
4.
Habt ihr Muth, oh meine Brüder? Seid ihr herzhaft? Nicht Muth vor Zeugen, sondern Einsiedler- und Adler-Muth, dem auch kein Gott mehr zusieht?
Kalte Seelen, Maulthiere, Blinde, Trunkene heissen mir nicht herzhaft. Herz hat, wer Furcht kennt, aber Furcht zwingt , er den Abgrund sieht, aber mit Stolz .
Wer den Abgrund sieht, aber mit Adlers-Augen, wer mit Adlers-Krallen den Abgrund fasst : Der hat Muth. - -
5.
"Der Mensch ist böse" - so sprachen mir zum Troste alle Weisesten. Ach, wenn es heute nur noch wahr ist! Denn das Böse ist des Menschen beste Kraft.
"Der Mensch muss besser und böser werden" - so lehre ich . Das Böseste ist nöthig zu des Übermenschen Bestem.
Das mochte gut sein für jenen Prediger der kleinen Leute, dass er litt und trug an des Menschen Sünde. Ich aber erfreue mich der grossen Sünde als meines grossen Trostes . -
Solches ist aber nicht für lange Ohren gesagt. Jedwedes Wort gehört auch nicht in jedes Maul. Das sind feine ferne Dinge: nach denen sollen nicht Schafs-Klauen greifen!
6.
Ihr höheren Menschen, meint ihr, ich sei da, gut zu machen, was ihr schlecht machtet?
Oder ich wollte fürderhin euch Leidende bequemer betten? Oder euch Unstäten, Verirrten, Verkletterten neue leichtere Fusssteige zeigen?
Nein! Nein! Drei Mal Nein! Immer Mehr, immer Bessere eurer Art sollen zu Grunde gehn, - denn ihr sollt es immer schlimmer und härter haben. So allein -
- so allein wächst der Mensch in die Höhe, wo der Blitz ihn trifft und zerbricht: hoch genug für den Blitz!
Auf Weniges, auf Langes, auf Fernes geht mein Sinn und meine Sehnsucht: was gienge mich euer kleines, vieles, kurzes Elend an!
Ihr leidet mir noch nicht genug! Denn ihr leidet an euch, ihr littet noch nicht _am_Menschen_. Ihr würdet lügen, wenn ihr's anders sagtet! Ihr leidet Alle nicht, woran ich litt. - -
7.
Es ist mir nicht genug, dass der Blitz nicht mehr schadet. Nicht ableiten will ich ihn: er soll lernen für mich - arbeiten. -
Meine Weisheit sammlet sich lange schon gleich einer Wolke, sie wird stiller und dunkler. So thut jede Weisheit, welche einst Blitze gebären soll. -
Diesen Menschen von Heute will ich nicht Licht sein, nicht Licht heissen. Die - will ich blenden: Blitz meiner Weisheit! Stich ihnen die Augen aus!
8.
Wollt Nichts über euer Vermögen: es giebt eine schlimme Falschheit bei Solchen, die über ihr Vermögen wollen.
Sonderlich, wenn sie grosse Dinge wollen! Denn sie wecken Misstrauen gegen grosse Dinge, diese feinen Falschmünzer und Schauspieler: -
- bis sie endlich falsch vor sich selber sind, schieläugig, übertünchter Wurmfrass, bemäntelt durch starke Worte,
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