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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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deutlicher. Es mußte ein großes, stattliches Tier mit vier Läufen sein, vielleicht ein Hirsch – Essen für viele Tage. Plötzlich blickten Caronj und Ilfa gleichzeitig nach oben. Sie hatten, zufällig, zwischen den Zweigen eine klare Sicht in den regnerischen Himmel. Dort schwebte, kräftig mit den Schwingen schlagend, ein großer, schneeweißer Raubvogel. Er stieß einen schrillen, herausfordernden Schrei aus und strich in irgendeine Richtung ab – irgendeine, denn niemand wußte, wo Nord oder Süd war.
    Im selben Moment sah Ilfa vor sich die Beute.
    Ein Tier, dessen Geweih sich in zähen Ranken und langen Schmarotzergewächsen verfangen hatte. Hellbraunes Fell, ein breiter Körper, wuchtige Schenkel. Rasch vergewisserte sich Ilfa, daß der Pfeil richtig auf der Sehne lag, wich nach rechts aus und wartete, bis das Tier in seinem verzweifelten Bemühen, sich loszureißen, dem Schützen den richtigen Fleck darbot.
    Ilfa zog die Sehne bis hinters Ohr. Der Pfeil traf durch das nasse Fell das Herz der Beute. Der Bock gab ein meckerndes Schreien von sich, schlug mit den Läufen und bäumte sich auf. Dann sackte das schwere Tier zusammen. Keuchen und ein rasender Wirbel von Hufen ertönten hinter Ilfa, und er wich aus. Der Zentaur galoppierte an ihm vorbei, stürzte sich auf die Beute und kappte mit seiner Waffe die feuchten, knirschenden Zweige und zerschlug die Ranken.
    »Endlich!« keuchte er. Ilfa zog den Schutzdeckel über den Köcher. Dann half er dem Freund, sich das schwere Beutestück auf den Rücken zu laden und zurück zum Zentrum vom Schattenparadies zu schleppen.
    Schwach war die Begeisterung, die ihnen entgegenschlug. Aber zwischen den Ruinen, aus deren Quadern noch die Balken hervorragten, brannte wenigstens ein Feuer. Das Dach war notdürftig mit Blättern, Schilf und Zweigen gedeckt.
    Caronj ließ die schwere Last von seinem Rücken gleiten. Der Amariter schüttelte sich, rammte das Kampfbeil in den Boden und sagte dumpf:
    »Wir haben genug zum Essen. Kümmert euch um die Beute!«
    Santauta und Tautason, die beiden Mimesen, stürzten sich mit gezogenen Messern auf das schwere Tier. Sie brachen die Bauchhöhle auf und begannen, das nasse Fell abzuziehen.
    Sgnore schlug aufgeregt mit den Flügeln. Sie hockte mit zerzaustem Gefieder in einer Mauernische. Der Rauch kringelte sich und zog durch die Öffnung in ihrem Rücken. Sie hustete und keifte:
    »Ich habe niemals ein solch großes Tier gesehen!«
    Tautason warf Ilfa den ausgelösten Pfeil zu. Gleichmütig verstaute Ilfa das Geschoß im Köcher. Helmond wandte sich an den Zentauren.
    »Habt ihr etwas herausgefunden?«
    Er deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Schattenparadies lag wie der Buckel eines riesigen, gestrandeten Schattenwals in dem unbekannten Land. Wie eine wuchtige Mauer umgaben Felsen und Dschungel den Platz.
    »Nein. Keine Spuren, keine Zeichen«, sagte Caronj. Ilfa schüttelte den Kopf und rief:
    »Du hast den weißen Raubvogel vergessen, Caronj.«
    »Richtig.«
    Alle anderen lauschten, als er mit knurrenden Worten schilderte, wie hoch über ihnen der weiße Vogel für einige Augenblicke lang gesehen worden war. Ihre Verzweiflung stieg, obwohl sich die ersten Bratenstücke über den Flammen drehten und einen Geruch verströmten, der ihnen den Speichel im Mund zusammenlaufen ließ.
    »Morgen werde ich einen Flug riskieren«, schrie die Haryie aus ihrer Nische. »Ich habe das Salz gefunden!«
    »Tatsächlich. Ein blinder Vogel fand einen Tonkrug!« bestätigte Helmond.
    In den Trümmern der zusammengebrochenen Ruinen fanden sie immer wieder Gegenstände und Vorräte. Vieles war verdorben, zerbrochen oder durch Wasser vernichtet. Die Haryie hatte gekratzt und gescharrt, in einem Winkel eine Unmenge Steine zur Seite geräumt und schließlich das kostbare Salz in einem Krug gefunden, der einen wächsernen Korken und nur einen Sprung hatte. Inzwischen hatte jeder der Überlebenden in dem Gewirr der Balken und Bruchsteine einen Unterschlupf, der ihn vor Kälte und Regen schützte. Wie aber sollte es weitergehen? Sie wußten es nicht!
    Helmond legte seinen schmalen, faltenreichen Kopf schief und blickte hinauf zur Haryie. Sie starrte mit zänkischem Gesichtsausdruck zurück.
    »Du hast das Salz entdeckt. Vielleicht entdeckst du morgen auch einen Weg, der aus diesem Elend hinausführt!« rief der Anführer dieses kümmerlichen Restes einer einstmals mächtigen, gefürchteten Bande.
    »Wenn es einen Weg gibt, werde ich ihn

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