Am Anfang war das Chaos
blutig und waren schwarz und schillernd verschmiert. Sie schrien immer lauter und stürzten sich von unten heraufflatternd auf die Haryie. Immer mehr waren es, die sich zwischen den weißschimmernden Bögen der Rippen und Knochen des Schattenwals hervorarbeiteten, ihre nassen Flügel schüttelten und mit grotesken Sprüngen versuchten, einen genügend langen Anlauf zu nehmen. Sie hatten lange Hälse und große, blitzende Schnäbel.
Es waren zuerst Dutzende, dann zehnmal ein Dutzend, schließlich zwei oder mehr Hunderte!
»Das schaffe ich nicht!« fauchte die Haryie. Sie kannte ihre Kräfte, die sich verdoppelten, wenn sie wütend war. Aber gegen diesen riesigen Schwarm schwarzer Aasvögel mit Klauen und Schnäbeln, die wie geschliffen wirkten, vermochte sie nichts auszurichten.
Sie wendete in der Luft, warf sich herum, versuchte zu steigen und schlug wie rasend mit den Schwingen. Die Aasvögel verfolgten sie; seltsam, dachte sie, während sie zu flüchten versuchte, denn sie mußten von den Überresten des gigantischen Schattenwals vollgefressen, träge und keineswegs angriffslustig sein.
Die ersten Angreifer erreichten sie.
Sgnore schrie ihnen unflätige Flüche entgegen, beschimpfte sie und die Eier, aus denen sie geschlüpft waren, zerfetzte in einem riskanten Flugmanöver die Augen eines Tieres, hackte ihre scharfen Krallen in die Mitte des Schädels eines anderen und fühlte einen brennenden Schmerz, als sich eine Kralle durch ihr Gefieder wühlte. Sie schlug ihre Flügel um den Körper, bildete eine dunkle Kugel und ließ sich fallen, packte während des Falles zwei Vögel und schmetterte deren Schädel gegeneinander, hackte einem dritten ein Auge aus und schwang durch den riesigen Schwarm hindurch, nach vorn und schräg nach unten. Ihre Flügel waren wie Waffen; die scharfen Kanten der langen Schwungfedern rissen tiefe Wunden.
Wohin sie auch blickte, waren schwarze Schwingen, dunkle Leiber, aufblitzende Hakenschnäbel und funkelnde, messerscharfe Krallen.
»Flucht! Zurück! Schnell!« kreischte die Haryie. Sie versuchte in einem schnellen, kraftvollen Zickzackflug zu entkommen. Auf ihrem Weg durch den kreischenden Schwarm verwundete sie viele Angreifer und tötete einige von ihnen. Wie kleine, schwarze Himmelssteine fielen die zuckenden Körper senkrecht nach unten und krachten in die Büsche und Ranken der Gewächse rund um die Ruinen.
Wieder trafen sie zwei Krallen.
Wütende Schnabelhiebe spalteten die Federn und trafen das Fleisch, das sofort wild zu bluten begann. Sgnore ließ sich direkt in einen Baumwipfel fallen, schloß die Augen und hoffte, daß ein Teil der Angreifer ihr nicht folgen würde. Sie hörte die Schreie der Tiere, die sich an Ästen aufspießten oder sich die Knochen an Zweigen brachen. Es rauschte und raschelte, als sie auf der anderen Seite des Baumwipfels wieder das Freie gewann und weiterflatterte wie eine verrückte Fledermaus.
Sie fühlte, wie ihre Kräfte sie verließen.
Noch einmal schaffte sie es, zwischen sich und die Angreifer einen deutlichen Abstand zu bringen. Sie flüchtete mit keuchenden Atemzügen und ahnte, daß sie noch nie in ihrem Leben in solch tödlicher Gefahr gewesen war. Aber schon stürzten sich wieder einige Dutzend der schwarzen Vögel auf sie. Sie kamen von allen Seiten und fügten ihr schwere Wunden zu. Jeder Schnabelhieb und jede Klaue, die ihren Körper ritzten, waren wie Treffer einer großen, glühenden Pfeilspitze.
»Ich… kann… nicht mehr«, keuchte sie. Sie fühlte, wie ihre Kräfte schwanden. Die stahlharten Muskeln verloren ihre Spannung und begannen zu schmerzen.
Plötzlich sah sie vor sich etwas Weißes. War es der fremde Vogel? Es mußte so sein, denn er griff mit kurzen, kreischenden Schreien die schwarzen Aasvögel an, bahnte sich wie eine vernichtende Schimäre einen Weg durch den Regen von Federn und die Wolke finsteren Gestanks, durch die Sgnore sich hinwegbewegte, mehr blind als kämpfend, mehr verwundet und geschwächt als aktiv. Sie reagierte, ohne zu denken, ohne kalt zu planen, das doch früher ihre Stärke gewesen war. Sie wußte nicht mehr, ob sie dicht über dem Erdboden flog oder in großer Höhe, ob sie auf dem Weg nach Schattenparadies war oder in eine ganz andere Richtung.
Sie kämpfte völlig verzweifelt um ihr Leben.
Aber immer wieder merkte sie, daß der schneeweiße Vogel sie schützte und verteidigte. Er war der bessere, schnellere und weitaus unbarmherzigere Kämpfer von beiden. Seine Schnabelhiebe waren
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