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Am Anfang war das Wort

Am Anfang war das Wort

Titel: Am Anfang war das Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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Gedichtes notwendigen Erklärungen vortrug, doch die letzten Sätze ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: »Dies ist ein Gedicht, das seinen Inhalt denunziert. Ein politisches Gedicht darf nicht verspielt oder ironisch sein. Ein politisches Protestgedicht kann nicht zugleich seinem Thema und den intellektuellen Neigungen des Autors dienen. Dessen kultureller Reichtum ist wertlos, wenn es um ein politisches Protestgedicht geht. Die Frage ist: Wo ist hier die Kraft der lyrischen Gedichte Tiroschs? Wo die Vielschichtigkeit? Ist der Mann, der Das Mädchen mit den grünen Lippen und Der Moment, als die Schwärze die Schwärze traf geschrieben hat, derselbe Mensch, der das vorliegende Gedicht verfaßt hat?«
    Und dann sprang Tuwja auf – Tirosch, die Hände vor das Gesicht geschlagen, wie die Kamera zeigte, packte Ido am Arm, drückte ihn fast auf seinen Platz und sagte mit vor Erregung zitternder Stimme: »Herr Duda'i hat es nicht verstanden. Ich muß ihm widersprechen. Der Kontext, er hat den Kontext nicht verstanden! Der Kontext ist außerordentlich politisch; das Gedicht spielt auf alle möglichen plakativen Formulierungen an, die in Literaturbeilagen auftauchen, und verspottet sie. Es verspottet sie in ihrer eigenen Sprache.« Tuwja wischte sich mit der Hand über die Stirn und fuhr mit leidenschaftlicher Stimme fort: »Dies ist kein politisches Protestgedicht gegen den Libanonkrieg im üblichen Sinn. Im Gegenteil! Herr Duda'i hat das Wichtigste übersehen! Dies ist ein Protestgedicht gegen Protestgedichte und ihren Mangel an Realität! Das ist eine Parodie auf Protestgedichte! Und das haben Sie nicht bemerkt!«
    Ido Duda'i schaute Tuwja an und sagte mit beherrschter Stimme: »Ich denke, daß eine Parodie, die nicht als Parodie erkennbar wird, ihr Ziel verfehlt. Ich kann nur eines sagen: Falls hier ein parodistischer Zweck beabsichtigt gewesen ist, wurde er verfehlt.«
    Im Saal machte sich Unruhe bemerkbar. Professor Awraham Kalizki, der in den Augen der Fakultätsmitglieder aufgrund seiner bibliographischen Bedeutung als einziger kompetent genug erschien, ein Urteil zu sprechen, hob die Hand, richtete sich zu seiner vollen zwergenhaften Größe auf und rief mit schriller Stimme: »Man sollte die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes Parodie bedenken und es nicht auf verantwortungslose Weise benutzen.«
    Doch sein Ausruf ging in dem lauten Gemurmel unter, das im Saal entstand. Aller Augen – auch das Auge der Kamera – waren auf Tirosch gerichtet, der mit bewunderungswerter Beherrschung, wie Tuwja später sagte, die Gegner beruhigte (»Aber meine Herren, bitte, meine Herren, das ist nur ein Seminar, wozu die ganze Aufregung?«). Doch die Kamera erfaßte auch den verzweifelten Ausdruck auf Idos Gesicht, als er sich setzte und beobachtete, wie Tirosch in seiner Funktion als Diskussionsleiter das Thema mit einigen Sätzen beendete, einen Blick auf seine Uhr warf und sagte, es bleibe nur noch wenig Zeit für Fragen des Publikums.
    Niemand sagte etwas, weder die Dozenten oder Studenten des Fachbereichs noch die ständigen Gasthörer, die nie offiziell eingeladen worden waren, jedoch bei allen öffentlich zugänglichen Aktivitäten der Fakultät erschienen: drei alte Lehrerinnen, die ihren geistigen Horizont durch die Teilnahme an solchen Abenden erweitern wollten; zwei Literaturkritiker, die sich vom akademischen Leben zurückgezogen hatten und ihre Kollegen voller Hingabe in den literarischen Klatschspalten vergessener Zeitschriften angriffen; und ein paar kulturbeflissene Jerusalemer Exzentriker. Niemand sagte etwas. Menucha Tischkin, die älteste der drei Lehrerinnen, die nach einer langen Einleitung, in der sie ihre beruflichen Schwierigkeiten erklärte, immer etwas fragte – noch nicht einmal sie machte den Mund auf. Etwas war geschehen, aber Ruchama wußte nicht, was es war, und sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete.
    Schließlich packten die Techniker ihre Ausrüstung zusammen, Ido Duda'i schüttelte brüsk Aharonowitschs Hand ab, die auf seiner Schulter lag, und rannte fast aus dem Saal.
    Ruchama stand neben der Tür zum Hörsaal. Die Leute gingen an ihr vorbei, und sie fing Bruchstücke von Gesprächen auf, halbe Wörter, die jedoch nicht in ihr Bewußtsein drangen. Tuwja stand noch immer hinter dem Tisch, und seine Hand zerknüllte die grüne Decke. Er sah, fand sie, wie einer der Vertreter der Arbeiterpartei aus, die immer wieder zum Kibbuz gekommen waren, um dort vor den

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