Am Ende Der Straße: Roman
Menge hat den verdammten Laden gestürmt. Das war das reinste Chaos. Sie sind reingerannt, haben einfach angefangen, sich Sachen zu greifen, und haben die Präsentiertische umgeworfen und Scheiben zertrümmert.
Er hat versucht, sie aufzuhalten, aber jedes Mal, wenn er einen erwischt hat, sind fünf andere voll beladen an ihm vorbeigerannt. Also ist er hinter den Tresen gegangen, hat eine Waffe gezogen und das Feuer eröffnet. Er hat einen ganzen Haufen Leute umgenietet.«
»Verdammte Scheiße.«
Der Mann riss sich von Russ los und rannte weiter.
Er war nicht mehr als fünf Schritt weit gekommen, als wir einen Schuss hörten. Die Menge rannte auseinander. Die meisten schrien oder riefen unzusammenhängendes Zeug. Ein paar lachten. Russ und ich duckten uns, warfen uns einen vielsagenden Blick zu und zogen uns mit unserem Wagen langsam zurück.
»Verschwinden wir von hier!«, schrie Russ.
»Das musst du mir nicht zweimal sagen!«
Wieder fiel ein Schuss, und ich zuckte heftig zusammen. Die Schreie in der Menge wurden lauter.
Russ runzelte verwirrt die Stirn. »Das war ein anderer.«
»Woher weißt du das?«
»Der erste Schuss klang nach einer Pistole. Das gerade war aber ein Gewehr.«
»Vielleicht hat jemand das Feuer erwidert?«
»Ich glaube nicht, dass wir hier rumhängen und es rausfinden sollten.«
Wir suchten uns eine Abkürzung durch einige Nebenstraßen, wobei wir darauf achteten, einen möglichst weiten Bogen um den 7-Eleven zu machen, und kehrten dann auf den eigentlichen Weg zurück. Es fielen noch mehr Schüsse. Irgendwann verklangen die Schreie in der Ferne. Nachdem wir ein paar Blocks hinter uns gebracht hatten, übernahm Russ den Wagen von mir. Wir waren beide schweißgebadet, obwohl es nicht sonderlich heiß war. Aber auch nicht kühl. Eigentlich schien sich die Temperatur überhaupt nicht mehr groß zu verändern. Sie blieb immer ungefähr so, wie sie gewesen war, als die Dunkelheit kam.
»Ich wünschte, es würde regnen«, meinte ich. »Wenn
ein richtig starker Sturm käme, würde er die Dunkelheit vielleicht einfach wegfegen.«
Noch während ich es aussprach, war mir klar, dass ich nicht daran glaubte. Die Worte klangen hohl. Ich machte einfach nur Konversation und versuchte, Russ’ Laune zu verbessern, so wie er es bei mir gemacht hatte.
»Eigentlich hätte es gestern regnen sollen«, erwiderte Russ. »Zumindest laut Wetterbericht. Es sollte die ganze Woche über immer wieder regnen und Gewitter geben. Aber wir haben keins von beidem. Ich glaube nicht, dass der Regen durch – was auch immer das ist – durchdringen kann.«
»Muss er aber.«
»Beantworte mir eine Frage, Robbie: Hast du, seit das alles angefangen hat, irgendwann einmal den Wind im Gesicht gespürt? Hast du den Wind gehört? Irgendetwas in der Art?«
»Nein. Das ist mir auch schon aufgefallen. Als wir vorhin aus dem Supermarkt gekommen sind, habe ich noch darüber nachgedacht.«
»Da hast du’s. Ich glaube nicht, dass die Elemente die Dunkelheit durchdringen können.«
»Und wie können wir dann atmen? Wenn Regen oder Wind nicht durchkommen, was ist dann mit dem Sauerstoff? Ich meine, müssten wir dann nicht alle längst tot sein? Wir haben Luft. Und die Leute haben die ganze Nacht lang allen möglichen Scheiß in ihren Kaminen und den Feuertonnen verbrannt. Wohin geht der ganze Rauch? Die Autoabgase? Warum schwebt das nicht alles hier rum?«
»Verdammt, das weiß ich nicht«, gab er zu. »Vielleicht verschwindet es in der Dunkelheit, genau wie alles andere. Vielleicht kann es auch den Schleier durchdringen.«
»Wenn Dinge in die Dunkelheit hineingelangen können, ist es nur logisch, dass sie auch wieder rauskommen können.«
»Das war gestern aber ganz anders. Diese Frau und ihr Baby, die Freiwilligen von der Feuerwehr und alle anderen, die gegangen sind – keiner von denen ist zurückgekommen. «
»Aber das muss nicht heißen, dass sie für immer verschwunden sind. Wie ich schon sagte, muss zumindest Luft durchkommen, sonst würden wir alle nicht mehr atmen.«
»Ich weiß nicht.« Russ blieb stehen und rieb sich die Augen. »Ich weiß überhaupt nichts mehr. Keiner weiß irgendwas.«
»Dieser Dez hat sich benommen, als wüsste er was.«
»Der Obdachlose? Mann, Robbie. Der ist einfach nur irre. Niemand weiß, was los ist – am allerwenigsten der.«
»Nur weil jemand verrückt ist, heißt das nicht automatisch, dass er dämlich ist.«
»Stimmt. Es heißt aber auch nicht, dass er automatisch intelligent
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