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Am Ende des Winters

Am Ende des Winters

Titel: Am Ende des Winters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Hresh. Du bist der Präzedenzfall. Und sie ist deine Gefährtin.«
    »Ist sie das, wirklich?«
    »Führe sie zu mir, sobald du von der Beng-Siedlung wieder zurückgekehrt bist, dann will ich die nötigen Worte sprechen.«
    »Koshmar, Koshmar…«
    »Aber sprich ihr noch nicht von ihrer Führerschaft. Noch gebührt sie ihr nicht, erst dann hat sie sie, wenn du und Torlyri sie ihr übertragen. Derlei Dinge müssen auf anständige, ordentliche Weise getan werden. Es kann keine neue Führerin geben, solange die alte noch am Leben ist.«
    »Laß mich versuchen dich zu heilen, Koshmar!«
    »Du erregst meinen Ärger. Geh du zu den Beng und erbitte von ihnen einige ihrer Zinnobären, Junge!«
    Er blieb stehen.
    »So geh schon!«
    »Dann erlaube mir wenigstens, dies eine für dich zu tun.« Mit flatternden Fingern löste Hresh einen kleinen Gegenstand, den er am Hals hängen hatte, und drückte ihn ihr in die Hand. »Das ist ein Amulett«, sagte er, »das ich von Thaggorans Leichnam löste, am Tag, als uns die Rattenwölfe angriffen. Es ist sehr, sehr alt, und gewiß verfügt es über irgendwelche große Kraft, auch wenn es mir nie gelungen ist, herauszufinden, was für welche. Aber wenn ich das Bedürfnis verspüre, Thaggoran bei mir zu haben, dann greife ich zu dem Amulett, und ich fühle seine Nähe. Halte es du in deiner Hand, Koshmar, und laß Thaggoran zu dir kommen und dich hinübergeleiten in die Anderwelt.« Er legte es ihr in die Hand und schloß ihre Finger um das Amulett. Es fühlte sich scharfkantig an in ihrer Handfläche – und warm. »Er liebte und achtete dich männiglich«, fuhr Hresh fort. »Er sagte es mir oft.«
    Koshmar lächelte. »Ich danke dir für diesen Schutzzauber, und ich will ihn bei mir tragen bis zum Ende. Aber dann wirst du ihn wieder an dich nehmen. Du wirst ihn nicht allzu lange entbehren müssen, glaube ich.« Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Aber nun geh! Geh zu den Beng und bitte sie um einige ihrer Tiere! Geh, geh, Hresh!« Und dann wich die Schroffheit von ihr, und sie strich ihm mit der Hand über die Wange. »Mein Alter Mann… mein Chronist.«
    Wie es schien, hatte Noum om Beng ihn erwartet. Zumindest zeigte er kein Erstaunen, als Hresh, atemlos und verschwitzt nach dem schnellen Trab auf der ganzen Strecke zwischen seiner Stammessiedlung und dem Beng-Dorf in Dawinno Galihine, vor ihn hintrat. Der alte Behelmte befand sich in seinem nüchternen schmucklos kahlen Gemach und saß mit dem Gesicht der Tür zugewandt, als erwarte er einen Besucher. Unter Hreshs Schädeldecke hämmerte es erbarmungslos. Seine Seele schmerzte von der zu heftigen Turbulenz in einem zu kleinen Behältnis. Der Kopf wirbelte ihm von alledem, was während dieser letzten paar hektischen Tage sich ereignet hatte. Und nun oblag es ihm auch noch, vor den alten Noum om Beng hinzutreten, und es war wohl die allerletzte Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, und es gab noch dermaßen viel von ihm zu lernen. Die Fragen türmten sich in immer höherer Zahl in seinem Hirn; aber die Antworten entzogen sich ihm nur immer mehr.
    »Setz dich!« sagte Noum om Beng und wies auf die Steinbank, auf der er selber saß. »Und ruhe. Komm erst einmal wieder zu Atem. Sauge die Luft tief in dich hinein! Tief!«
    »Vater…«
    »Ruh dich aus!« sagte Noum om Beng streng. Hresh dachte schon, er werde ihm einen Backenstreich versetzen, wie er dies so oft in den Anfangstagen ihres Tutoriums getan hatte. Aber der Alte Mann blieb vollkommen bewegungslos. Nur seine Augen zuckten und geboten Hresh mit einem stahlharten Funkeln, er solle stillsitzen.
    Langsam holte Hresh die Luft in sich herein, hielt sie in den Lungen, entließ sie, atmete erneut tief. Nach einer kleinen Weile wurde das Pochen in seinem Herzen schwächer, der Sturm in seinem Hirn schien sich zu mindern. Noum om Beng nickte zufrieden. Ruhig fragte er: »Wann verlaßt ihr diese Stadt, Knabe?«
    »In ein, zwei Tagen.«
    »Also habt ihr hier alles herausgefunden, was zu wissen euch not tut?«
    »Ich habe nichts herausgefunden«, sagte Hresh. »Nichts, gar nichts. Ich schaufle Informationen in mich hinein, aber je mehr ich an Wissen ansammle, desto weniger verstehe ich.«
    »Und so geht es mir auch«, sagte Noum om Beng sanft und leise.
    »Aber, Vater, wie kannst du so etwas sagen? Du weißt doch alles, was es zu wissen geben kann!«
    »Glaubst du das wirklich?«
    »So will mir scheinen.«
    »In Wahrheit, Junge, weiß ich sehr wenig. Nur das, was in den Chroniken meines

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