Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
Vater, als wollte er uns vors Kriegsgericht bringen, an die Hauswand stellen und uns mit einem scharf geladenen, ökologischen Malerpinsel hinrichten.
»Was um … und so weiter«, beginnt er und dann platzen die Wut und die Verbitterungen und Enttäuschungen der letzten Tage aus ihm heraus. Er ist ein Vulkan negativer Energie und Jerry und ich können nur warten, bis der explosive Ausbruch vorbei ist, bei dem er so viele Beschimpfungen loswird, dass die Flüche der Welt fürchten müssen, vom Aussterben bedroht zu sein.
Aber mit der Zeit wird auch er langsamer. Es vergeht immer mehr Zeit zwischen den Explosionen und den groben Beschuldigungen. Und plötzlich schaut er hinunter auf Jerrys Schuhe und stellt fest, dass es dort ein gewisses Manko gibt.
»Ich muss dir eine unglaubliche Geschichte erzählen«, sagt Jerry. »Du wirst sie nicht glauben. Ab jetzt wird alles besser.«
Dieser Satz ist fast wie ein Code. Ich schwöre, was dann passiert, das ist wirklich wahr. Das ist tatsächlich passiert. Es war geplant von Einem Mann Mit Einem Plan. Und dennoch erscheint es so unglaublich. Als befänden wir uns zum zweiten Mal an diesem Tag mitten im dicksten Anglerlatein.
Wir hören nämlich, wie ein Bus unsere Straße hinauffährt. Er schaltet herunter, bremst und hält direkt vor unserer Auffahrt.
Mein Vater starrt uns an, als würde er von kleinen grünen Marsmenschen eingenommen. Seine Augen sind tatsächlich auf dem Weg hinaus aus seinem Schädel und ich muss mich zurückhalten, damit ich nicht auf ihn losstürze und zu verhindern versuche, dass sie herausplatzen.
Und das erst recht, als eine ganze Truppe niedlicher Mädchen aus dem Bus herausklettert, angeführt von der Mannschaftskapitänin der Tipling Tigers. Sie kommt auf uns zu und fragt: »Ist das das Haus, das gestrichen werden soll?«
Ein Mann Mit Einem Plan nickt zufrieden und wird rot.
Dann sieht sie meinen nackten Vater und sagt: »Oh, hoppla!«
Und ausnahmsweise gehen meinem Vater die Worte aus. Und er wird rot. Das Nächste, was wir sehen, das sind seine nackten Hacken, als er Richtung Tür verschwindet.
»Ja, das ist das Haus«, antworte ich. »Und ihr seid sicher, dass das für euch in Ordnung ist?«
»Eine Hand wäscht die andere«, antwortet dieMannschaftsführerin und in den nächsten zehn Minuten herrscht ein chaotisches Durcheinander, während die Mädchen sich Maleranzüge anziehen, Käppis aufsetzen und Handschuhe überstreifen.
8. ALLES TANZT
Jerry wird leicht verrückt. Was nicht unerwartet kommt. Alle Tipling Tigers stehen um unser Haus herum und klatschen Farbe an die Wände. Da gibt es Mädchenlocken und Mädchenhaarstoppeln und Mädchenpferdeschwänze und Mädchenstupsnasen und Mädchenwangen mit Farbklecksen und braune Mädchenschenkel und Mädchenmuskeln, Muskeln, Muskeln und große, schöne Mädchen überall.
Jerry wird wirklich fast verrückt. Ihm läuft der Speichel aus dem Mund, er schwitzt, er flirtet mit der einen und dann mit der anderen. Er flirtet mit dreien gleichzeitig, sagt witzige Dinge und lacht hysterisch, sodass alle zusammen mit ihm hysterisch lachen müssen.
Das erinnert an ein Vorspiel zu einem ziemlich verrückten Fest, bei dem die Stimmung bereits bombig ist. Und mitten hinein stößt mein Vater – angezogen – mit beschlagenen Saftbechern und schenkt für alle ein.
Und er ist so nett und strahlt, dass die Sonne Konkurrenz bekommt.
Meine Mutter hat sich auch angezogen und ist offensichtlich in die Gefriertruhe abgetaucht. Sie kommt mit zwanzig Stück Eis am Stiel zurück.
Saft, Eis und Sommer. Es herrscht eine richtige Glücksstimmung. Und dann stellt eines der Mädchen eine Riesenanlage aufs Gras und spielt schweren, funky Soul und die ganze Malerriege tanzt. Jerry und ich tanzen. Selbst mein Vater macht ein paar unsichere Schritte zusammen mit meiner Mutter. Und das erinnert an ein Musikvideo mit Leuten, die breaken, shaken, rocken und rollen und in die Knie gehen und die Malerquaste wie Quasimikrofone benutzen, und das ganze Haus erzittert und der Rasen bebt und die Welt geht auf in einer höheren Einheit.
Und mittendrin bewegt sich Jerry wie ein Fisch, der mit dem Schwanz schlägt, breitet die Arme aus, zeigt den Ententanz und führt den Moonwalk vor. Er imitiert Lachs, Forelle, Plötze und den lebensgefährlichen Hecht.
Der Job am Haus wird in Rekordzeit verrichtet und das Strahlen meines besänftigten Vaters hat schon seit Langem die Sonne übertrumpft, die sich missmutig hinter
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