Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
meinem Rücken ins Wasser plumpst.
Denke merkwürdigerweise an meinen Hintern. Meinen dicken Hintern!
Er wird mich in den Hintern beißen!
Das ist das verlockendste Ziel.
Ich meine ihn schon am Hosenboden zu spüren.
Und was dann weiter passiert – ich schwöre, dass es genau so passiert, wie ich es erzähle – was weiter passiert: Ich reiße Jerry aus dem Wasser, werfe ihn mir über die Schulter, dann stehe ich auf und vollbringe ein Wunder. Ich gehe tatsächlich übers Wasser – wie ein heiliger Mann. Nein! Ich laufe auf dem Wasser und entkomme so dem schnappenden Hechtmaul.
Denn das kommt wie ein Torpedo hinter mir angeschossen.
Und schnappt nach meinen Fersen.
Aber ich sprinte zum Ufer – berühre kaum das Wasser.
Der Hecht zielt auf meinen Hosenboden und bekommt ihn beinahe zu fassen.
Er springt noch einmal und fast hätte er Jerry in den anderen Fuß gebissen.
Aber ich bin Superman und Batman in einer Person.
105 Kilo Superheld, der in diesem Augenblick über das Wasser gehen kann.
Meine Leistung hätte selbst Sportlehrer Valen applaudieren lassen. Ich rase mit Jerry auf den Schultern in Richtung Ufer und er johlt und schreit wie ein Cowboy auf einem wilden Pferd.
Ich stürze direkt auf die Felswand zu, die sich wie ein weißer Bock vor mir aufbaut. Wie ein unüberwindliches Hindernis von mehr als einem Meter Höhe.
Hinter uns nähert sich der Monsterfisch aus dem Horrorfilm mit tausend Zähnen, bereit, mir in den Hintern zu beißen.
Und ich nehme Anlauf, so gut ich nur kann.
105 Kilo setzen sich ein – ich schwöre, dass dies alles der Wahrheit entspricht – und ich nehme alle meine Kraft zusammen, stoße mich ab und springe – und somit fliegen wir durch die Luft wie eine Rakete und wie eine Kugel und wie ein durchtrainierter Athlet.
Ich rolle mich zusammen und lande weit hinten am Ufer.
Fast schon an der Felswand.
Mit Jerry auf dem Rücken.
Aber ich habe Jerry und mich gerettet und draußen im Wasser hören wir den Riesenhecht irgendetwas meckern. Ich weiß, Fische können nicht sprechen. Dieser aber doch. Und er sagt: »Kommt nie wieder zurück, Jungs!« Er zischt wie ein Mafiaboss der klassischen Art. Dann grinst er boshaft und verschwindet in der Tiefe.
Ich lasse Jerry auf die Erde gleiten.
»Danke …«, sagt er matt.
Und wir schauen beide seinen Fuß an und sehen, dass er blutet.
5. STERBENDER MANN?
Die ganze Schuhspitze ist abgebissen. Als hätte jemand den Schuh auf einen Holzklotz gelegt und mit einer Axt zugeschlagen.
Und durch das Loch im Schuh kann ich Jerrys Strumpf sehen.
Und den großen Zeh von Jerry.
Und der blutet.
Ich binde den Schuh auf und ziehe ihn vorsichtig vom Fuß. Jerry legt sich auf den Rücken, jammert und stöhnt, und einen Moment lang fürchte ich, dass ich mich übergeben muss. Erste Hilfe bei Leuten, die einen Zeh verloren haben, das ist nicht mein Ding.
Aber dann schaffe ich es, den verletzten Zeh freizulegen, und atme erleichtert auf.
»Ist es schlimm, Bud?«, fragt er aus seiner liegenden Stellung heraus. »Ich fühle so gut wie nichts im Fuß. Hat er … hat er alle Zehen aufgefressen?« Er schließt die Augen und murmelt: »Mein Gott! Mein Gott! Ich werde sterben. Jetzt ist es vorbei!«
»Nein, Jerry«, beruhige ich ihn. »Es hätte kaum besser laufen können.«
»Wie meinst du das?« Er zieht sich wütend hoch. »Ich liege hier & bin kurz vor dem Tode. Das Blut rinnt & du wirst den Krankenwagen rufen müssen & ich brauche eine Bluttransfusion, wie sie Leute immer kriegen, wenn sie auf dem Sterbebett liegen – wobei das natürlich die Frage ist – aber vergiss nicht: Ich möchte eingeäschert werden – ich will nicht das Risiko eingehen, dadrinnen aufzuwachen, in einer Holzkiste tief unter der Erde – einäschern, Bud. Vergiss das nicht! Sie können einen Zappa-Song bei der Beerdigung spielen. Mir fällt jetzt kein passender ein. Aber du bist ja Experte auf dem Gebiet. Du wirst schon einen finden. & vergiss nicht, dass ich Nelken hasse. Bei meiner Beerdigung soll es Rosen & Tulpen geben. Übrigens kannst du das erste Zappaalbum erben – die Originalausgabe in Vinyl. Meine Eltern mögen diese Musik sowieso nicht. & vergiss nicht …«
»Jerry«, sage ich und schnipse vor seinen Augen. »Das ist … äh … nur ein kleiner Kratzer.«
»Ein kleiner Kratzer!«, ruft er wütend. »Komm nicht zu einem sterbenden Mann und erzähl ihm was von einem kleinen Kratzer. Das hat
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