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Die Lavendelschlacht

Die Lavendelschlacht

Titel: Die Lavendelschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Thewes
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Eins
    Eingelullt von dem monotonen Gluckern und Blubbern der Kaffeemaschine, lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und ließ den Blick träge durch die Redaktion wandern. Die gelb gestrichenen Räume waren dank der hohen Fenster zwar hell, aber weiß Gott nicht besonders groß. Chronischer Platzmangel war die Folge. Überall, auf dem Boden, auf den Tischen sowie auf sämtlichen anderen Möbelstücken, türmten sich Berge, ach was: ganze Gebirgsmassive aus Zeitschriften, und die Regale drohten unter einem Wust von Papier und Aktenordnern jeden Augenblick zusammenzubrechen.
    Ein normaler Mensch würde bei diesem Anblick wahrscheinlich schreiend davonlaufen. Schon aus Angst um seine Sicherheit. Doch ich liebte dieses Chaos! Jeden Morgen dankte ich dem lieben Gott auf Knien, dass ich bei Diabolo arbeiten durfte. Teuflisch war lediglich der Name des Magazins, das wir fleißig und ziemlich erfolgreich mit Veranstaltungshinweisen, Reportagen sowie Klatsch und Tratsch aus der Region fütterten. Obwohl Diabolo nur einmal im Monat erschien, waren ruhige Nachmittage wie dieser dünn gesät, und so genoss ich es umso mehr, ausnahmsweise mal nicht unter Stress und Termindruck zu stehen. Am Schreibtisch gegenüber regte sich etwas. Hinter dem Computerbildschirm tauchte Fraukes dunkler Haarschopf auf, doch einen Moment später war er schon wieder in der Versenkung verschwunden.
    Irgendwie war mir diese beschauliche Atmosphäre nicht ganz geheuer. Jetzt ein Tausendkalorienstückchen von Mamas Käsesahnetorte, und ich hätte schwören können, es wäre Sonntag. Kaum zu glauben, sogar das Telefon gab ganz gegen seine Gewohnheit nicht einen einzigen Mucks von sich. Eine Störung? Bestimmt war die Leitung tot. Vorsichtig hob ich den Hörer ab und lauschte auf das Freizeichen.
    Hm, alles paletti.
    Die Gunst der Stunde musste genutzt werden. Ob ich Thomas anrufen sollte, um mit ihm ein bisschen zu quatschen? Ich hatte Lust, seine Stimme zu hören.
    Nein, besser nicht! Ich verwarf den Gedanken genauso schnell, wie er gekommen war. Mein Süßer konnte ausgesprochen sauer reagieren, wenn man ihn ohne triftigen Grund, wie etwa eine Herzattacke oder eine Feuersbrunst, von der Arbeit abhielt.
    Unwillkürlich seufzte ich. Früher, ja früher, da war das anders gewesen. Stundenlang hatten wir uns irgendwelche verliebten Spinnereien ins Telefon gesäuselt. Aber man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Nach sechs Jahren hat es sich ausgesäuselt. So ist das halt. Auch die Schmetterlinge im Bauch waren nach ein paar Bruchlandungen etwas flügellahm geworden. Dafür spürte ich das Kribbeln nun umso häufiger in meinem Arm, wenn Thomas es sich beim Fernsehgucken darauf gemütlich gemacht hatte. Aber was spielte das schon für eine Rolle? Ich liebte Thomas von ganzem Herzen. Nur das zählte. Er war der Mann, mit dem ich alt, und wenn es sich trotz qualvoller Aerobicstunden nicht vermeiden ließ, auch klapperig werden wollte.
    Plötzlich übermannte mich eine heftige Sehnsuchtsattacke. Na bitte, wer sagt’s denn – und das nach sechs Jahren ... Vielleicht hatte der Lack im Laufe der Jahre ein paar Risse bekommen, aber ab war er noch lange nicht!
    Gedankenverloren grapschte ich nach einem Bleistiftstummel und kritzelte ein Strichmännchen auf den Block, der, wie es sich für eine gute Journalistin gehörte, immer griffbereit neben dem Telefon lag.
    Kopf, Bauch, Arme, Beine. Fertig.
    Meinem Adam fehlte zwar noch ein entscheidendes Körperteil, aber das sah ich nicht so eng. Ein bisschen künstlerische Freiheit musste erlaubt sein. Und damit das arme Kerlchen sich nicht so einsam fühlte, malte ich gleich noch eins. Mein Schaffensdrang war kaum zu bremsen, der Stift sauste über das Papier.
    Kritisch musterte ich das Ergebnis: Eva unterschied sich von Adam durch zwei pralle Rundungen, bei deren Anblick nicht nur ich, sondern auch Pamela Anderson vor Neid ganz grün geworden wäre. Ups, ich bin nun wirklich nicht prüde, aber irgendwie fand ich mein Gekritzel ein klein wenig zu anstößig.
    O.k., das ließ sich ändern. Dem Herrn verpasste ich einen schmucken Frack nebst dazu passendem Zylinder. Und seine Begleiterin steckte ich kurzerhand in ein wallendes, bodenlanges Gewand.
    Hach, was für ein schönes Paar!
    Jetzt war ich richtig in Fahrt gekommen. Mit Hingabe feilte ich weiter an meinem Kunstwerk. Wie von selbst entstand unter meinen dilettantischen Fingern eine Kutsche, die Hundertwasser alle Ehre gemacht hätte: nicht ein einziger rechter Winkel.

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