Am Montag flog der Rabbi ab
haben wir auf unseren Hintern gehockt – Verzeihung, Mrs. Small –, anstatt uns ernstlich damit zu befassen. Um die Wahrheit zu sagen, das Ganze ist uns noch ziemlich neu. Wir hielten es einfach für ’ne Formsache. Gut, tut mir Leid; tut uns allen Leid. Aber jetzt zum Geschäft. Wie wär’s, wenn Sie mir sagen, was Sie sich vorstellen, und dann sage ich Ihnen, was den anderen als fair vorschwebt. Und sollten sich da Differenzen ergeben, reden wir darüber. Und Sie sprechen bitte frisch von der Leber weg, Mrs. Small, denn es geht Sie ja wohl genauso an wie den Rabbi. Vielleicht sogar mehr. Ich sage immer, die Frau führt schließlich den Haushalt. Sie weiß, was eine Familie an Lebensmitteln braucht und was die kosten. Also ihr legt jetzt eure Karten auf den Tisch, und ich werde euch sagen, wie der Vorstand darüber denkt. Wir werden schon was ausknobeln, und falls das anders aussieht als das, was wir uns vorgestellt hatten, rede ich mit dem Vorstand darüber, bis wir uns geeinigt haben. Ein faires Angebot?»
«Durchaus fair, Mr. Drexler», entgegnete der Rabbi. Er zögerte und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Sessellehne, während er seine Sätze formulierte. «Sie mögen es vielleicht nicht glauben, Mr. Drexler, aber als ich den Brief abschickte, war ich ausschließlich an einer Beurlaubung interessiert. Und das ist immer noch alles, woran ich interessiert bin. An den Vertrag habe ich dabei überhaupt nicht gedacht und glaube auch nicht, dass ich jetzt gewillt bin, mir darüber Gedanken zu machen. Ich habe um Beurlaubung gebeten, und genau das ist es, was ich möchte.»
Drexler war immer noch nicht überzeugt. Er konnte sich eine gewisse Bewunderung für das Verhandlungsgeschick des Rabbi nicht verkneifen. Er versuchte es auf eine andere Tour. «Gut, wenn Sie es so rum haben wollen, ich spiele mit. Denken wir also darüber nach und sehen wir, wohin es führt. Sie möchten beurlaubt werden, sagen Sie. In Ihrem Brief sprachen Sie von drei Monaten. Ist das immer noch Ihr Wunsch?»
Der Rabbi nickte.
«Sie wollen also für drei Monate weg. Bezahlten Urlaub, nehme ich an?»
«Das habe ich mir, ehrlich gesagt, noch nicht überlegt.» Der Rabbi dachte nach. «Nein, ich glaube nicht, dass ich unter diesen Umständen auf irgendein Entgelt Anspruch hätte.»
Drexler war verärgert. Wie feilscht man mit jemand, der nichts von einem will? Er hatte darlegen wollen, wenn die Gemeinde ihm drei Monate Gehalt zahlte, immerhin eine beachtliche Summe, müsste man sich darüber einigen, wie er das auszugleichen gedachte. Aber wenn er keine Bezahlung erwartete …
«Und wenn wir Ihr Gesuch um Beurlaubung ablehnen, Rabbi?»
Der Rabbi lächelte leicht. «Ich fürchte, das würde mich nicht zurückhalten.»
«Sie meinen, Sie würden kündigen?»
«Sie würden mir ja keine andere Wahl lassen.»
«Das heißt also, dass Sie bestimmt zurückkommen, wenn wir die Beurlaubung bewilligen?»
Der Rabbi war ehrlich bekümmert. «Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich in drei Monaten denken werde oder was ich dann möchte.» Er lächelte. «Wer von uns weiß das schon?»
«Aber hören Sie, das bringt uns ziemlich in Verlegenheit. Ich meine, wir müssen doch jemand engagieren, der Sie während ihrer Abwesenheit vertritt, und wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie zurückkommen …»
«Ich sehe Ihre Schwierigkeit, Mr. Drexler. Na gut, warum setzen wir nicht einfach voraus, dass ich zurückkomme? Wenn es dann so weit ist, können wir über einen Vertrag verhandeln, der für beide Seiten akzeptabel ist.» Er lächelte. «Wenn ich nicht komme, brauchen wir das natürlich nicht.»
Das Telefon klingelte.
Miriam eilte an den Apparat. Nach einem Augenblick sagte sie: «New York, David. Vermutlich deine Mutter. Am besten sprichst du vom Nebenanschluss.»
Der Rabbi entschuldigte sich und hastete aus dem Zimmer. Am Telefon sagte Miriam: «Hallo, Mutter. Alles in Ordnung? Danke, uns geht’s gut … ja, Jonathan geht’s auch gut … Ja, David ist da, er geht eben an den anderen Apparat.» Sie wartete auf das Klicken, das anzeigte, dass ihr Mann den Hörer abgenommen hatte. «Ich muss mich jetzt verabschieden, Mutter. Wir haben Besuch.» Sie legte auf und kehrte an ihren Platz zurück.
Nachdem sie sich bei Marty Drexler wegen der Unterbrechung entschuldigt hatte, fuhr sie fort: «Mein Mann ist seit über sechs Jahren in Barnard’s Crossing, Mr. Drexler. In der ganzen Zeit hat er keinen richtigen Urlaub gehabt – nur
Weitere Kostenlose Bücher