Amber-Zyklus 08 - Zeichen des Chaos: der Titel
was sie vorgeschlagen hat.«
Dann fragte er Jasra: »Was geschieht, wenn ich den Quell an sich zerstöre?«
»Ich glaube nicht, daß das möglich ist«, antwortete sie.
Er schnaubte durch die Nase, und ich sah seiner Miene an, welch gefährliche Richtung seine Gedanken eingeschlagen hatten.
»Tu mir einen Gefallen und nimm es einmal an«, bat er.
Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Wenn es dir gelänge, ihn zum Versiegen zu bringen, und sei es nur für eine kleine Weile, dann fiele die Zitadelle wahrscheinlich. Ich habe die Wirkung des Quells dazu benutzt, um die Aufrechterhaltung dieses Ortes zu unterstützen. Er ist alt, und ich war nicht in der Lage, Befestigungsanlagen bauen zu lassen, wo sie nötig gewesen wären. Das Maß an Energie, das erforderlich ist, um den Quell erfolgreich anzugreifen, wäre anderswo jedoch wesentlich besser investiert.«
»Danke«, sagte er.
Sie blieb stehen, streckte die Hand zu einer der Kraftströme aus und schloß die Augen, als ob sie einen Puls messen würde.
»Sehr stark«, sagte sie kurz darauf. »Jemand ist gerade dabei, in geringem Maße Kraft zu zapfen.«
Sie ging weiter. Das Licht am Ende des Gangs wurde heller, schwächer, heller, schwächer. Die Schatten wichen dabei zurück und fluteten immer wieder heran. Ich vernahm einen Ton, der sich wie das Summen dünner Drähte anhörte. Aus derselben Richtung kam auch ein unterbrochenes Knistern. Als Jasra die Schritte beschleunigte, wurde auch ich schneller. Ungefähr um diese Zeit ertönte ein Gelächter über uns. Frakir straffte sich an meinem Handgelenk. Feuerflocken huschten kreuz und quer durch die Korridormündung.
»Verdammt, verdammt, verdammt!« hörte ich Jasra fluchen.
Sie hob die Hand, als wir in Sichtweite des Treppenabsatzes kamen, wo die Maske damals bei unserer Begegnung gestanden hatte. Ich hielt inne, während sie sehr langsam weiterging und sich dem Geländer näherte. Zur rechten wie auch zur linken Seite waren Stufen, die zu den beiden gegenüberliegenden Seiten des Gewölbes hinunterführten.
Sie blickte nur flüchtig nach unten; dann warf sie sich nach hinten und rollte sich nach rechts ab, als sie am Boden landete. Eine orangefarbene Flammenkugel, die ein Stück Geländer mir sich riß, zischte wie ein langsamer Komet aufwärts und durchquerte die Stelle, von der sie soeben weggehechtet war. Ich eilte zu ihr, schob ihr einen Arm unter die Schultern und wollte sie hochheben.
Ich spürte, wie sie sich versteifte, während sie den Kopf nach links drehte. Irgendwie wußte ich bereits, was ich sähe, wenn ich mich in diese Richtung wandte.
Dort stand Jurt, splitterfasernackt, abgesehen von seiner Augenklappe, strahlend, lächelnd, einen Pulsschlag von der Körperhaftigkeit entfernt.
»Nett, daß du auf einen Sprung vorbeigekommen bist, Bruder«, sagte er. »Schade, daß du nicht bleiben kannst.«
Funken tanzten um seine Fingerspitzen, als er den Arm in meine Richtung schwang. Ich bezweifelte, daß er als vordringliches Anliegen einen Händedruck im Sinn hatte.
Mir fiel keine andere Antwort ein als: »Dein Schuhband hat sich gelöst«, was ihn natürlich nicht von seinem Vorhaben abhielt, ihn jedoch tatsächlich für eine oder zwei Sekunden verunsicherte.
-12-
J urt hatte noch nie Fußball gespielt. Ich glaube nicht, daß er damit rechnete, ich könnte so schnell da sein und ihn bedrängen; und als es geschah, erwartete er nicht, daß mein Angriff so tief angesetzt wäre.
Und was den Schlag direkt über den Knien betraf, den die ich ihm versetzte, sowie den Umstand, daß ich ihn rückwärts durch die Öffnung im Geländer schlug, so geschah das für ihn bestimmt überraschend, davon bin ich überzeugt. Zumindest sah er überrascht aus, als er nach hinten zu Boden sackte, während immer noch Funken an seinen Fingerspitzen tanzten.
Ich hörte Jasra kichern, als er mitten im Fall verblaßte und gleich darauf ganz verschwand, bevor der Aufprall am Boden ihn plattmachen konnte. Dann bemerkte ich aus dem Augenwinkel, daß sie sich erhob.
»Jetzt werde ich mich seiner annehmen«, sagte sie und fügte hinzu: »Kein Problem. Er ist ein tolpatschiger Trottel«, als er rechts von ihr auf der obersten Stufe der Treppe wieder Gestalt annahm. »Kümmere du dich um die Maske!«
Die Maske befand sich auf der gegenüberliegenden Seite des Brunnens aus schwarzem Stein und starrte durch eine orangefarbene und rote Flammenfontäne zu mir herauf. Unten im Becken kräuselte sich das Feuer gelb und weiß.
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