Amerika
ein Täßchen und schüttete ihn in sich hinein, so wie man Medizinen eilig schluckt, um möglichst wenig von ihrem Geschmack zu spüren.
»Eine feine Sache, der schwarze Kaffee«, sagte der Student.
»Schade, daß Sie so weit sind, daß ich Ihnen nicht ein wenig hinüberreichen kann.«
»Mir schmeckt schwarzer Kaffee nicht«, sagte Karl.
»Mir auch nicht«, sagte der Student und lachte. »Aber was wollte ich ohne ihn anfangen. Ohne den schwarzen Kaffee würde mich Montly keinen Augenblick behalten. Ich sage immer Montly, obwohl der natürlich keine Ahnung hat, daß ich auf der Welt bin.
Ganz genau weiß ich nicht, wie ich mich im Geschäft benehmen würde, wenn ich nicht dort im Pult eine gleich große Flasche wie diese immer vorbereitet hätte, denn ich habe noch nie gewagt, mit dem Kaffeetrinken auszusetzen, aber, glauben Sie mir nur, ich würde bald hinter dem Pulte liegen und schlafen. Leider ahnt man das, sie nennen mich dort den ›Schwarzen Kaffee‹, was ein blödsinniger Witz ist und mir gewiß in meinem Vorwärtskommen schon geschadet hat.«
»Und wann werden Sie mit Ihrem Studium fertig werden?«
fragte Karl.
»Es geht langsam«, sagte der Student mit gesenktem Kopf. Er verließ das Geländer und setzte sich wieder an den Tisch; die Ellbogen auf das offene Buch aufgestützt, mit den Händen durch seine Haare fahrend, sagte er dann: »Es kann noch ein bis zwei Jahre dauern.«
»Ich wollte auch studieren«, sagte Karl, als gebe ihm dieser Umstand ein Anrecht auf ein noch größeres Vertrauen, als es der jetzt verstummende Student ihm gegenüber schon bewiesen
hatte.
»So«, sagte der Student, und es war nicht ganz klar, ob er in seinem Buche schon wieder las oder nur zerstreut hineinstarrte,
»seien Sie froh, daß Sie das Studium aufgegeben haben. Ich selbst studiere schon seit Jahren eigentlich nur aus Konsequenz.
Befriedigung habe ich wenig davon und Zukunftsaussichten noch weniger. Welche Aussichten wollte ich denn haben! Amerika ist voll von Schwindeldoktoren.«
»Ich wollte Ingenieur werden«, sagte Karl noch eilig zu dem scheinbar schon gänzlich unaufmerksamen Studenten hinüber.
»Und jetzt sollen Sie Diener bei diesen Leuten werden«, sagte der Student und sah flüchtig auf, »das schmerzt Sie natürlich.«
Diese Schlußfolgerung des Studenten war allerdings ein
Mißverständnis, aber vielleicht konnte es Karl beim Studenten nützen. Er fragte deshalb: »Könnte ich nicht vielleicht auch eine Stelle im Warenhaus bekommen?«
Diese Frage riß den Studenten völlig von seinem Buche los; der Gedanke, daß er Karl bei seiner Postenbewerbung behilflich sein könnte, kam ihm gar nicht. »Versuchen Sie es«, sagte er,
»oder versuchen Sie es lieber nicht. Daß ich meinen Posten bei Montly bekommen habe, ist der bisher größte Erfolg meines Lebens gewesen. Wenn ich zwischen dem Studium und meinem
Posten zu wählen hatte, würde ich natürlich den Posten wählen.
Meine Anstrengung geht nur darauf hin, die Notwendigkeit einer solchen Wahl nicht eintreten zu lassen.« »So schwer ist es, dort einen Posten zu bekommen«, sagte Karl mehr für sich.
»Ach, was denken Sie denn«, sagte der Student, »es ist
leichter, hier Bezirksrichter zu werden als Türöffner bei Montly.«
Karl schwieg. Dieser Student, der doch so viel erfahrener war als er und der den Delamarche aus irgendwelchen Karl noch unbekannten Gründen haßte, der dagegen Karl gewiß nichts
Schlechtes wünschte, fand für Karl kein Wort der Aufmunterung, den Delamarche zu verlassen. Und dabei kannte er noch gar nicht die Gefahr, die Karl von der Polizei drohte und vor der er nur bei Delamarche halbwegs geschützt war.
»Sie haben doch am Abend die Demonstration unten
gesehen? Nicht wahr? Wenn man die Verhältnisse nicht kannte, sollte man doch denken, dieser Kandidat, er heißt Lobter, werde doch irgendwelche Aussichten haben oder er komme doch
wenigstens in Betracht, nicht?«
»Ich verstehe von Politik nichts«, sagte Karl.
»Das ist ein Fehler«, sagte der Student. »Aber abgesehen
davon haben Sie doch Augen und Ohren. Der Mann hat doch
zweifellos Freunde und Feinde gehabt, das kann Ihnen doch nicht entgangen sein. Und nun bedenken Sie, der Mann hat, meiner Meinung nach, nicht die geringsten Aussichten, gewählt zu werden. Ich weiß zufällig alles über ihn, es wohnt da bei uns einer, der ihn kennt. Er ist kein unfähiger Mensch, und seinen politischen Ansichten und seiner politischen Vergangenheit nach wäre gerade
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