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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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aufgenommen. Bei einer
    plötzlichen Wendung des Ganges stieß Karl mit ganzer Wucht an die Mauer, und nur die ununterbrochene Sorgfalt, mit der er die Kerze krampfhaft hielt, bewahrte sie glücklicherweise vor dem Fallen und Auslöschen. Da der Gang kein Ende nehmen wollte, nirgends ein Fenster einen Ausblick gab, weder in der Höhe noch in der Tiefe sich etwas rührte, dachte Karl schon, er gehe immerfort im gleichen Kreisgang in der Runde, und hoffte schon, die offene Tür seines Zimmers vielleicht wiederzufinden, aber weder sie noch das Geländer kehrte wieder. Bis jetzt hatte sich Karl von lautem Rufen zurückgehalten, denn er wollte in einem fremden Haus zu so später Stunde keinen Lärm machen, aber jetzt sah er ein, daß es in diesem unbeleuchteten Hause kein Unrecht war, und machte sich gerade daran, nach beiden Seiten des Ganges ein lautes »Hallo!« zu schreien, als er in der Richtung, aus der er gekommen war, ein kleines, sich näherndes Licht bemerkte. Jetzt konnte er erst die Länge des geraden Ganges abschätzen; das Haus war eine Festung, keine Villa.
    Karls Freude über dieses rettende Licht war so groß, daß er alle Vorsicht vergaß und darauf zulief; schon bei den ersten
    Sprüngen löschte seine Kerze aus. Er achtete nicht darauf, denn er brauchte sie nicht mehr, hier kam ihm ein alter Diener mit einer Laterne entgegen, der ihm den richtigen Weg schon zeigen würde.
    »Wer sind Sie?« fragte der Diener und hielt Karl die Laterne ans Gesicht, wodurch er gleichzeitig sein eigenes beleuchtete.
    Sein Gesicht erschien etwas steif durch einen großen, weißen Vollbart, der erst auf der Brust in seidenartige Ringel ausging.
    ›Es muß ein treuer Diener sein, dem man das Tragen eines
    solchen Bartes erlaubt‹, dachte Karl und sah diesen Bart
    unverwandt der Länge und Breite nach an, ohne sich dadurch behindert zu fühlen, daß er selbst beobachtet wurde. Im übrigen antwortete er sofort, daß er der Gast des Herrn Pollunder sei, aus seinem Zimmer in das Speisezimmer gehen wolle und es
    nicht finden könne.
    »Ach so«, sagte der Diener »wir haben das elektrische Licht noch nicht eingeführt.«
    »Ich weiß«, sagte Karl.
    »Wollen Sie nicht Ihre Kerze an meiner Lampe anzünden?«
    fragte der Diener.
    »Bitte«, sagte Karl und tat es.
    »Es zieht hier so auf den Gängen«, sagte der Diener »die
    Kerze löscht leicht aus, darum habe ich eine Laterne.«
    »Ja, eine Laterne ist viel praktischer«, sagte Karl.
    »Sie sind auch schon von der Kerze ganz betropft«, sagte der Diener und leuchtete mit der Kerze Karls Anzug ab.
    »Das habe ich ja gar nicht bemerkt!« rief Karl, und es tat ihm sehr leid, da es ein schwarzer Anzug war, von dem der Onkel gesagt hatte, er passe ihm am besten von allen. Die Rauferei mit Klara dürfte dem Anzug auch nicht genützt haben, erinnerte er sich jetzt. Der Diener war gefällig genug, den Anzug zu reinigen, so gut es in der Eile ging; immer wieder drehte sich Karl vor ihm herum und zeigte ihm noch hier und dort einen Fleck, den der Diener folgsam entfernte.
    »Warum zieht es denn hier eigentlich so?« fragte Karl, als sie schon weitergingen.
    »Es ist hier eben noch viel zu bauen«, sagte der Diener, »man hat zwar mit dem Umbau schon angefangen, aber es geht sehr langsam. Jetzt streiken auch noch die Bauarbeiter, wie Sie vielleicht wissen. Man hat viel Ärger mit so einem Bau. Jetzt sind da ein paar große Durchbrüche gemacht worden, die niemand vermauert, und die Zugluft geht durch das ganze Haus. Wenn ich nicht die Ohren voll Watte hätte, könnte ich nicht bestehen.«
    »Da muß ich wohl lauter reden?«, fragte Karl.
    »Nein, Sie haben eine klare Stimme«, sagte der Diener. »Aber um auf diesen Bau zurückzukommen; besonders, hier in der
    Nähe der Kapelle, die später unbedingt von dem übrigen Haus abgesperrt werden muß, ist die Zugluft gar nicht auszuhalten.«
    »Die Brüstung, an der man in diesem Gang vorüberkommt,
    geht also in eine Kapelle hinaus?«
    »Ja.«
    ›Das habe ich mir gleich gedacht‹, sagte Karl.
    »Sie ist sehr sehenswert«, sagte der Diener, »wäre sie nicht gewesen, hätte wohl Herr Mack das Haus nicht gekauft.
    Herr Mack?« fragte Karl , »ich dachte, das Haus gehöre Herrn Pollunder?«
    »Allerdings«, sagte der Diener »aber Herr Mack hat doch bei diesem Kauf den Ausschlag gegeben. Sie kennen Herrn Mack
    nicht?«
    »O ja«, sagte Karl. »Aber in welcher Verbindung ist er denn mit Herrn Pollunder?«
    »Er ist der Bräutigam des

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