Mondnacht - Mordnacht
Als Dinah Hutton die polternden Schritte ihres Mannes hörte, explodierte bei ihr die Angst.
Sie kannte das grausame Spiel, das fast jeden zweiten Abend wie ein Ritual ablief, wenn Arnos aus der Kneipe zurückkehrte. Volltrunken und emotional aufgeladen, denn irgendwer hatte ihn immer geärgert.
Nach dem Betreten des Hauses führte ihn sein erster Weg immer ins Schlafzimmer, wo Dinah zitternd wartete. Die Tortur war jedesmal furchtbar. Er mußte seinen Frust abladen, und das geschah in der Regel durch brutale Schläge. Da nahm er auf nichts und niemanden Rücksicht.
Da drehte er durch. Wenn Dinah Pech hatte, wurde sie schwer getroffen, und zu den noch vorhandenen blauen Flecken kamen weitere hinzu.
In dieser ländlichen Gegend gab es keine Emanzipation. Da wurde noch nach den Regeln des Stärkeren gelebt: Der Mann hatte das Sagen, die Frau mußte gehorchen.
Dinah wollte nicht mehr. Sie war diesem Unhold leid. Keine Schläge, kein Ausflippen, nichts mehr von diesen grausamen Dingen, die sie in den letzten beiden Jahren ihrer verfluchten Ehe durchlitten hatte.
Sie war fünfunddreißig. Wenn sie in den Spiegel schaute und dabei ehrlich gegen sich selbst war, mußte sie sich eingestehen, daß sie tatsächlich aussah wie fünfundvierzig oder älter. Dieses verdammte Leben hatte seine Spuren bei ihr hinterlassen.
Dinah wollte nicht mehr. Ihre Vorbereitungen hatte sie bereits getroffen.
Eigentlich hatte sie noch mit Arnos reden wollen, und sie hatte es auch angedeutet, er war trotzdem gegangen und hatte ihr nicht mal zugehört.
So lag sie in ihrer normalen Kleidung auf dem Bett: Hose, Rollkragenpullover, und selbst die Turnschuhe hatte die Frau nicht abgestreift. Für eine schnelle Flucht war alles vorbereitet. So stand auch das Fenster offen. Hin und wieder fuhr der Wind wie ein kalter Atem in das Zimmer.
Arnos war jetzt an der Tür. Wie immer, wenn er betrunken war, schaffte er diese Strecke zuerst, aber er blieb auch stets vor der Tür stehen, um sich zu erholen. Der Fußmarsch von der Kneipe nach Hause strengte ihn stets an, so mußte er Kraft sammeln, um in sein Finale einzusteigen.
Dinah saß mehr auf dem Bett, als daß sie lag. Die Decke hatte sie nur lose über ihren Körper geworfen. Sie konnte sie sehr schnell zur Seite schleudern und aufstehen.
Sie hörte Arnos husten. Danach fluchte er. Anschließend brabbelte er etwas vor sich hin, aber auch diese Worte waren von. Verwünschungen begleitet.
Er war in dieser Nacht wieder besonders aufgeladen. Was das bedeutete, hatte Dinah schon mehr als einmal zu spüren bekommen. Sie zog die Beine genau in dem Augenblick an, als der Heimgekehrte die Tür mit einem heftigen Ruck öffnete.
Er blieb auf der Schwelle stehen. Sein mächtiger Schatten malte sich als Standbild in der Dunkelheit ab. Tagsüber arbeitete er auf dem Bau, eine Arbeit, die sehr viel Kraft erforderte und besser war als jedes Fitneß-Training.
Im Zimmer war es finster, aber nicht zu dunkel. Dinah wollte auch kein Licht machen, aber Arnos gefiel die Dunkelheit nicht. Sie hörte ihn schimpfen, dann bewegte er ungelenk seinen Arm und streifte mit der Handfläche über die Blümchentapete an der Wand entlang, wo sich auch der Lichtschalter befand. Immer dieselbe Bewegung. Schweiß und Schmutz hatten auf der Tapete schon einen dunklen Streifen hinterlassen. Unter der Decke wurden die vier Schalen der Lampe hell.
Kein großartiges Licht, aber man konnte erkennen, welch ein schreckliches Monstrum dort vor ihr stand.
Arnos war zehn Jahre älter. Ein Kerl wie ein Bär. Grobschlächtig und gewalttätig. Die Spuren dieser Eigenschaften zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Wüste Schlägereien hatten Narben hinterlassen, und die Haut sah aus wie Holz.
Arnos Hutton roch nach Schweiß, Rauch und Bier. Einen Gestank, den er von seinen Kneipentouren immer mitbrachte und an den sich Dinah nie würde gewöhnen können.
Er verzog den Mund, als er seine Frau im Bett sah. Wahrscheinlich erkannte er sie nicht einmal klar, da der genossene Alkohol sein Sehvermögen beeinträchtigte.
Er lachte sie an. »Du hast auf mich gewartet, wie?« fragte er mit schwerer Stimme.
»Nein, Arnos, bitte…«
»Wieso?« röhrte er. »Was soll das heißen? Was erzählst du mir da für eine Scheiße? Die Frau hat auf ihren Mann zu warten, hörst du? Sie muß warten.«
»Arnos, bitte, laß uns doch reden.«
»Worüber denn?«
»Ich kann so nicht mehr weiterleben, Arnos. Du mußt das doch verstehen.«
Mit der rechten Hand
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