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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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wurde Karl gleich in eine Art Büro geführt, in welchem die Oberköchin, ein Vormerkbuch in der Hand, einer jungen Schreibmaschinistin einen Brief in die Schreibmaschine diktierte.
    Das äußerst präzise Diktieren, der beherrschte und elastische Tastenschlag jagten an dem nur hie und da merklichen Ticken der Wanduhr vorüber, die schon fast halb zwölf zeigte. »So!«
    sagte die Oberköchin, klappte das Vormerkbuch zu, die
    Schreibmaschinistin sprang auf und stülpte den Holzdeckel über die Maschine, ohne bei dieser mechanischen Arbeit die Augen von Karl zu lassen. Sie sah noch wie ein Schulmädchen aus, ihre Schürze war sehr sorgfältig gebügelt, auf den Achseln zum Beispiel gewellt, die Frisur recht hoch, und man staunte ein wenig, wenn man nach diesen Einzelheiten ihr ernstes Gesicht sah. Nach Verbeugungen, zuerst gegen die Oberköchin, dann gegen Karl, entfernte sie sich, und Karl sah unwillkürlich die Oberköchin mit einem fragenden Blicke an.
    »Das ist aber schön, daß Sie nun doch gekommen sind«,
    sagte die Oberköchin. »Und Ihre Kameraden?«
    »Ich habe sie nicht mitgenommen«, sagte Karl.
    »Die marschieren wohl sehr früh aus«, sagte die Oberköchin, wie um sich die Sache zu erklären.
    ›Muß sie denn nicht denken, daß ich auch mitmarschiere?‹
    fragte sich Karl und sagte deshalb, um jeden Zweifel
    auszuschließen: »Wir sind in Unfrieden auseinandergegangen.«
    Die Oberköchin schien das als eine angenehme Nachricht
    aufzufassen. »Dann sind Sie also frei?« fragte sie.
    »Ja, frei bin ich«, sagte Karl, und nichts schien ihm wertloser.
    »Hören Sie, möchten Sie nicht hier im Hotel eine Stelle
    annehmen?« fragte die Oberköchin.
    »Sehr gern«, sagte Karl, »ich habe aber entsetzlich wenig Kenntnisse. Ich kann zum Beispiel nicht einmal auf der
    Schreibmaschine schreiben.«
    »Das ist nicht das Wichtigste«, sagte die Oberköchin. »Sie bekämen eben vorläufig nur eine ganz kleine Anstellung und müßten dann zusehen, durch Fleiß und Aufmerksamkeit sich
    hinaufzubringen. Jedenfalls aber glaube ich, daß es für Sie besser und passender wäre, sich irgendwo festzusetzen, statt so durch die Welt zu bummeln. Dazu scheinen Sie mir nicht
    gemacht.«
    ›Das würde alles auch der Onkel unterschreiben‹, sagte sich Karl und nickte zustimmend. Gleichzeitig erinnerte er sich, daß er, um den man so besorgt war, sich noch gar nicht vorgestellt hatte. »Entschuldigen Sie, bitte«, sagte er »daß ich mich noch gar nicht vorgestellt habe, ich heiße Karl Roßmann.«
    »Sie sind ein Deutscher, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Karl, »ich bin noch nicht lange in Amerika.«
    »Woher sind Sie denn?«
    »Aus Prag in Böhmen«, sagte Karl.
    »Sehen Sie einmal an«, rief die Oberköchin in einem stark englisch betonten Deutsch und hob fast die Arme, »dann sind wir ja Landsleute, ich heiße Grete Mitzelbach und bin aus Wien.
    Und Prag kenne ich ja ausgezeichnet, ich war ja ein halbes Jahr in der Goldenen Gans auf dem Wenzelsplatz angestellt. Aber denken Sie nur einmal!«
    »Wann ist das gewesen?« fragte Karl.
    »Das ist schon viele, viele Jahre her.«
    »Die alte Goldene Gans«, sagte Karl, »ist vor zwei Jahren niedergerissen worden.«
    »Ja, freilich«, sagte die Oberköchin, ganz in Gedanken an vergangene Zeiten.
    Mit einem Male aber wieder lebhaft werdend, rief sie und
    faßte dabei Karls Hände: »Jetzt, da es sich herausgestellt hat, daß Sie mein Landsmann sind, dürfen Sie um keinen Preis von hier fort. Das dürfen Sie mir nicht antun. Hätten Sie zum Beispiel Lust, Liftjunge zu werden? Sagen Sie nur ja und Sie sind es.
    Wenn Sie ein bißchen herumgekommen sind, werden Sie wissen, daß es nicht besonders leicht ist, solche Stellen zu bekommen, denn sie sind der beste Anfang, den man sich denken kann. Sie kommen mit allen Gästen zusammen, man sieht Sie immer, man gibt Ihnen kleine Aufträge; kurz, Sie haben jeden Tag die Möglichkeit, zu etwas Besserem zu gelangen. Für alles übrige lassen Sie mich sorgen.«
    »Liftjunge möchte ich ganz gerne sein«, sagte Karl nach einer kleinen Pause. Es wäre ein großer Unsinn gewesen, gegen die Stelle eines Liftjungen mit Rücksicht auf seine fünf
    Gymnasialklassen Bedenken zu haben. Eher wäre hier in Amerika Grund gewesen, sich der fünf Gymnasialklassen zu schämen.
    Übrigens hatten die Liftjungen Karl immer gefallen, sie waren ihm wie der Schmuck des Hotels erschienen.
    »Sind nicht Sprachkenntnisse erforderlich?« fragte er noch.
    »Sie sprechen Deutsch

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