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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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und ein schönes Englisch, das genügt vollkommen.«
    »Englisch habe ich erst in Amerika in zweieinhalb Monaten erlernt«, sagte Karl, er glaubte, seinen einzigen Vorzug nicht verschweigen zu dürfen.
    »Das spricht schon genügend für Sie«, sagte die Oberköchin.
    »Wenn ich daran denke, welche Schwierigkeiten mir das
    Englisch gemacht hat. Das ist allerdings schon seine dreißig Jahre her. Gerade gestern habe ich davon gesprochen. Gestern war nämlich mein fünfzigster Geburtstag.« Und sie suchte
    lächelnd den Eindruck von Karls Mienen abzulesen, den die Würde dieses Alters auf ihn machte.
    »Dann wünsche ich Ihnen viel Glück«, sagte Karl.
    »Das kann man immer brauchen«, sagte sie, schüttelte Karl die Hand und wurde wieder halb traurig über diese alte
    Redensart aus der Heimat, die ihr da im Deutschsprechen
    eingefallen war.
    »Aber ich halte Sie hier auf«, rief sie dann.
    »Und Sie sind gewiß sehr müde, und wir können auch alles
    viel besser bei Tag besprechen. Die Freude, einen Landsmann getroffen zu haben, macht ganz gedankenlos. Kommen Sie, ich werde Sie in Ihr Zimmer führen.«
    »Ich habe noch eine Bitte, Frau Oberköchin«, sagte Karl im Anblick des Telephonkastens, der auf dem Tisch stand, »es ist möglich, daß mir morgen, vielleicht sehr früh, meine früheren Kameraden eine Photographie bringen, die ich dringend brauche.
    Wären Sie so freundlich und würden Sie dem Portier
    telephonieren, er möchte die Leute zu mir schicken oder mich holen lassen?«
    »Gewiß«, sagte die Oberköchin, »aber würde es nicht
    genügen, wenn er ihnen die Photographie abnimmt? Was ist es denn für eine Photographie, wenn man fragen darf?«
    »Es ist die Photographie meiner Eltern«, sagte Karl.
    »Nein, ich muß mit den Leuten selbst sprechen.« Die
    Oberköchin sagte nichts weiter und gab telephonisch in die Portierloge den entsprechenden Befehl, wobei sie 536 als
    Zimmernummer Karls nannte.
    Sie gingen dann durch eine der Eingangstür entgegengesetzte Tür auf einen kleinen Gang hinaus, wo an dem Geländer eines Aufzuges ein kleiner Liftjunge schlafend lehnte.
    »Wir können uns selbst bedienen«, sagte die Oberköchin leise und ließ Karl in den Aufzug eintreten.
    »Eine Arbeitszeit von zehn bis zwölf Stunden ist eben ein wenig zuviel für einen solchen Jungen«, sagte sie dann,
    während sie aufwärts fuhren.
    »Aber es ist eigentümlich in Amerika. Da ist dieser kleine Junge zum Beispiel, er ist auch erst vor einem halben Jahre mit seinen Eltern hier angekommen, er ist ein Italiener. Jetzt sieht er aus, als könne er die Arbeit unmöglich aushalten, hat schon kein Fleisch im Gesicht, schläft im Dienst ein, obwohl er von Natur sehr bereitwillig ist, – aber er muß nur noch ein halbes Jahr hier oder irgendwo anders in Amerika dienen und hält alles mit Leichtigkeit aus, und in fünf Jahren wird er ein starker Mann sein. Von solchen Beispielen könnte ich Ihnen stundenlang erzählen. Dabei denke ich gar nicht an Sie, denn Sie sind ein kräftiger Junge; Sie sind siebzehn Jahre alt, nicht?«
    »Ich werde nächsten Monat sechzehn«, antwortete Karl.
    »Sogar erst sechzehn!« sagte die Oberköchin. »Also nur
    Mut!«
    Oben führte sie Karl in ein Zimmer, das zwar schon als
    Dachzimmer eine schiefe Wand hatte, im übrigen aber bei einer Beleuchtung durch zwei Glühlampen sich sehr wohnlich zeigte.
    »Erschrecken Sie nicht über die Einrichtung«, sagte die
    Oberköchin, »es ist nämlich kein Hotelzimmer, sondern ein Zimmer meiner Wohnung, die aus drei Zimmern besteht, so daß Sie mich nicht im geringsten stören. Ich sperre die
    Verbindungstüre ab, so daß Sie ganz ungeniert bleiben. Morgen, als neuer Hotelangestellter, werden Sie natürlich Ihr eigenes Zimmerchen bekommen. Wären Sie mit Ihren Kameraden
    gekommen, dann hätte ich Ihnen in der gemeinsamen
    Schlafkammer der Hausdiener aufbetten lassen, aber da Sie allein sind, denke ich, daß es Ihnen hier besser passen wird, wenn Sie auch nur auf einem Sofa schlafen müssen. Und nun schlafen Sie wohl, damit Sie sich für den Dienst kräftigen. Er wird morgen noch nicht zu anstrengend sein.«
    »Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Freundlichkeit.«
    »Warten Sie«, sagte sie, beim Ausgang stehenbleibend, »da wären Sie aber bald geweckt worden.« Und sie ging zu der einen Seitentür des Zimmers, klopfte und rief: »Therese!«
    »Bitte, Frau Oberköchin«, meldete sich die Stimme der
    kleinen Schreibmaschinistin.
    »Wenn du mich früh wecken gehst, so

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