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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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mußte
    ausgestreckt daliegen, um bis an den Hals zugedeckt sein zu können, denn er besaß kein Nachthemd.
    »Ich bleibe ja nur einen Augenblick«, sagte sie und griff nach einem Sessel. »Kann ich mich zum Kanapee setzen?«
    Karl nickte. Da setzte sie sich so eng zum Kanapee, daß Karl an die Mauer rücken mußte, um zu ihr aufschauen zu können.
    Sie hatte ein rundes, gleichmäßiges Gesicht, nur die Stirn war ungewöhnlich hoch, aber das konnte auch vielleicht nur an der Frisur liegen, die ihr nicht recht paßte. Ihr Anzug war sehr rein und sorgfältig. In der linken Hand quetschte sie ein
    Taschentuch.
    »Werden Sie lange hierbleiben?« fragte sie.
    »Es ist noch nicht ganz bestimmt«, antwortete Karl, »aber ich denke, ich werde bleiben.«
    »Das wäre nämlich sehr gut«, sagte sie und fuhr mit dem
    Taschentuch über ihr Gesicht, »ich bin hier nämlich so allein.«
    »Das wundert mich«, sagte Karl. »Die Frau Oberköchin ist
    doch sehr freundlich zu Ihnen. Sie behandelt Sie gar nicht wie eine Angestellte. Ich dachte schon, Sie wären Verwandte.«
    »O nein«, sagte sie, »ich heiße Therese Berchtold, ich bin aus Pommern.«
    Auch Karl stellte sich vor, daraufhin sah sie ihn zum erstenmal voll an, als sei er ihr durch die Namensnennung ein wenig fremder geworden. Sie schwiegen ein Weilchen. Dann sagte sie:
    »Sie dürfen nicht glauben, daß ich undankbar bin. Ohne die Frau Oberköchin stünde es ja mit mir viel schlechter. Ich war früher Küchenmädchen hier im Hotel und schon in großer Gefahr,
    entlassen zu werden, denn ich konnte die schwere Arbeit nicht leisten. Man stellt hier sehr große Ansprüche. Vor einem Monat ist ein Küchenmädchen nur vor Überanstrengung ohnmächtig
    geworden und vierzehn Tage im Krankenhaus gelegen. Und ich bin nicht sehr stark, ich habe früher viel zu leiden gehabt und bin dadurch in der Entwicklung ein wenig zurückgeblieben; Sie würden wohl gar nicht sagen, daß ich schon achtzehn Jahre alt bin. Aber jetzt werde ich schon stärker.«
    »Der Dienst hier muß wirklich sehr anstrengend sein«, sagte Karl. »Unten habe ich jetzt einen Liftjungen stehend schlafen gesehen.«
    »Dabei haben es die Liftjungen noch am besten«, sagte sie,
    »die verdienen ihr schönes Geld an Trinkgeldern und müssen sich schließlich doch bei weitem nicht so plagen wie die Leute in der Küche. Aber da habe ich wirklich einmal Glück gehabt, die Frau Oberköchin hat einmal ein Mädchen gebraucht, um die
    Servietten für ein Bankett herzurichten, hat zu uns
    Küchenmädchen heruntergeschickt, es gibt hier an fünfzig
    solcher Mädchen, ich war gerade bei der Hand und habe sie sehr zufriedengestellt, denn im Aufbauen der Servietten habe ich mich immer ausgekannt. Und so hat sie mich von da an in ihrer Nähe behalten und allmählich zu ihrer Sekretärin ausgebildet.
    Dabei habe ich sehr viel gelernt.«
    »Gibt es denn da so viel zu schreiben?« fragte Karl.
    »Ach, sehr viel«, antwortete sie, »das können Sie sich
    wahrscheinlich gar nicht vorstellen. Sie haben doch gesehen, daß ich heute bis halb zwölf gearbeitet habe, und heute ist kein besonderer Tag. Allerdings schreibe ich nicht immerfort, sondern habe auch viele Besorgungen in der Stadt zu machen.«
    »Wie heißt denn die Stadt?« fragte Karl.
    »Das wissen Sie nicht?« sagte sie, »Ramses.«
    »Ist es eine große Stadt?« fragte Karl.
    »Sehr groß«, antwortete sie, »ich gehe nicht gern hin. Aber wollen Sie nicht wirklich schon schlafen?«
    »Nein, nein«, sagte Karl, »ich weiß ja noch gar nicht, warum Sie hereingekommen sind.«
    »Weil ich mit niemandem reden kann. Ich bin nicht wehleidig, aber wenn wirklich niemand für einen da ist, so ist man schon glücklich, schließlich von jemandem angehört zu werden. Ich habe Sie schon unten im Saal gesehen, ich kam gerade, um die Frau Oberköchin zu holen, als sie Sie in die Speisekammer wegführte.«
    »Das ist ein schrecklicher Saal«, sagte Karl.
    »Ich merke es schon gar nicht mehr«, antwortete sie. »Aber ich wollte nur sagen, daß ja die Frau Oberköchin so freundlich zu mir ist, wie es nur meine Mutter war. Aber es ist doch ein zu großer Unterschied in unserer Stellung, als daß ich frei mit ihr reden könnte. Unter den Küchenmädchen habe ich früher gute Freundinnen gehabt, aber die sind schon längst nicht mehr hier, und die neuen Mädchen kenne ich kaum. Schließlich kommt es mir manchmal vor, daß mich meine jetzige Arbeit mehr
    anstrengt als die frühere, daß ich sie aber

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