Der Gebieter
Prolog
Samstag, 30. Juni
»Bist du auch so oft gefragt worden, wann wir endlich heiraten?« Kokett schob Naomi ihre Schultern zurück, um Chengs Aufmerksamkeit auf ihre Brüste zu lenken, sobald er zu ihr herübersah. Der pfirsichfarbene Satin spannte sich über ihren Rundungen, rutschte schließlich ein Stück herunter und zeigte ein üppiges Dekolleté. Der Spalt zwischen ihren Brüsten war deutlich und verführerisch zu sehen. Sie zog den Saum ihres Kleids höher, bis der mehrlagige Chiffon kaum noch ihren Schoß bedeckte.
Doch Cheng starrte mit seinen attraktiven Mandelaugen weiter auf die Straße, als würde der Asphalt ihn hypnotisieren. Seine Hände hielten das Lenkrad umkrampft. Bisher hatte er weder seine Krawatte gelockert noch sein Jackett oder die obersten Knöpfe seines Hemds geöffnet, dabei war es ein Temperaturschock gewesen, von den klimatisierten Räumen in die warme Juninacht zu gehen. »Die Feier bei Richter Gleason war wichtig für uns. Wenn er uns mag, teilt er uns die richtigen Aufträge zu, Aufträge, an denen wir viel verdienen, Darling.«
Naomi ließ von ihrer lasziven Pose ab und seufzte. Sehnsüchtig beobachtete sie ein Liebespaar, das hemmungslos knutschend vor einem Porno-Kino stand. Hatten sie eine Vorstellung besucht oder sich nur an den Fotos in den Schaukästen erregt? »Entspann dich endlich. Um zwei Uhr nachts an einem Samstagmorgen darf man auch mal an etwas anderes als an die Arbeit denken.«
»Die Party eben war ein Meilenstein für uns«, sagte er euphorisch. Er schob seine Brille hoch und sah Naomi endlich an, jetzt, da sie die Haltung einer verführerischen Nymphe aufgegeben hatte und wieder die Frau war, mit der ihn eine achtjährige Beziehung verband.
Sie kannten sich in- und auswendig, Reize nutzten sich eben ab. Naomi jedoch gab sich Mühe, begehrenswert für ihn zu bleiben. Zugegeben, eine Weile hatte sie sich gehen lassen. Wahrscheinlich war der Sex deshalb nahezu eingeschlafen. Aber im letzten halben Jahr hatte sie sechs Kilo abgenommen, hatte sich blonde Highlights in ihre langen braunen Haare färben lassen und nur das Deckhaar am Hinterkopf stufig schneiden lassen, damit ihr Schopf mehr Volumen bekam.
Nichts von alldem war Cheng aufgefallen. Aber sie würde ihn schon mit der Nase darauf stoßen. Das und mehr. Sie konnte ihre Bedürfnisse nicht länger ignorieren. Und er auch nicht!
Naomi fühlte sich wohl in ihrer Haut. Sie fühlte sich sexy! Heute Nacht würden Cheng und sie in hemmungsloser Wolllust verschmelzen. Dafür würde sie schon sorgen.
Sie fuhr das Fenster ein Stück herunter und genoss es, den Fahrtwind im Gesicht zu spüren. Noch befanden sie sich in der Innenstadt. Die Straßen der Belle of the Bay, wie San Francisco auch genannt wurde, waren voll pulsierenden Lebens. Aus den Clubs drangen stampfende Beats, junge Männer fuhren in ihren aufgemotzten Wagen umher und sprachen Frauen an, nur um ein wenig zu flirten und sich dann doch eine Abfuhr zu holen. Die In-Lokale waren trotz der späten Stunde bis zum Bersten gefüllt, Althippies krochen aus den Independent-Kulturkellern zurück an die Oberfläche und sprangen in die Cable Cars, um heimzufahren. Alle hatten ihren Spaß. Bis auf Naomi. Die Feier von Richter Gleason war sterbenslangweilig für sie gewesen, ein Geschäftstermin eben, lästig, aber notwendig. Diese steifen Veranstaltungen waren nichts für sie. Sie hätte sich lieber ins Nachtleben gestürzt, doch dafür war Cheng nicht zu begeistern. Aber vielleicht für etwas anderes, etwas, das ihr seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf ging.
Der Chevrolet vor ihnen hupte aggressiv, weil ein Motorradfahrer ihn schnitt. Die Hupe war wie ein Startzeichen für Naomi.
Ihre Brustspitzen kribbelten sehnsüchtig. Ein heißes Prickeln floss durch ihren Körper. Wie beiläufig legte sie ihre Hand auf Chengs Oberschenkel.
»Mach bitte das Fenster zu.« Bemutternd fügte er hinzu: »Du erkältest dich noch. Du weißt doch, wie empfindlich du bist.«
Fast hätte sie gelacht. Heute waren es an die dreißig Grad gewesen. In den Straßenschluchten von San Francisco hatte die Hitze gebrannt wie in der Wüste. »Es ist Sommer! Die Luft ist doch angenehm.«
»Wenn du krank würdest, wäre das eine Katastrophe für mich. Im Büro komme ich ohne dich einfach nicht zurecht.« Sanft schob er ihre Hand fort. »Ich meine es doch nur gut mit dir.«
So leicht ließ sich Naomi nicht abschütteln. Ihre Mutter Catherine mochte Cheng, hielt ihn aber für ein wenig zu
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