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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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wollen wir jetzt veranstalten, ob man sonst damit einverstanden ist oder nicht, denn
    Gerechtigkeit muß sein.‹
    Statt dessen aber sagte die Oberköchin nach einer kleinen Pause, die niemand zu unterbrechen gewagt hatte – nur die Uhr schlug in Bestätigung der Worte des Oberkellners halb sieben und mit ihr, wie jeder wußte, gleichzeitig alle Uhren im ganzen Hotel, es klang im Ohr und in der Ahnung wie das zweimalige Zucken einer einzigen großen Ungeduld –: »Nein, Karl, nein, nein! Das wollen wir uns nicht einreden. Gerechte Dinge haben auch ein besonderes Aussehen, und das hat, ich muß es
    gestehen, deine Sache nicht. Ich darf das sagen und muß es auch sagen; ich muß es gestehen, denn ich bin es, die mit dem besten Vorurteil für dich hergekommen ist. Du siehst, auch Therese schweigt.« (Aber sie schwieg doch nicht, sie weinte.) Die Oberköchin stockte in einem plötzlich sie überkommenden Entschluß und sagte: »Karl, komm einmal her«, und als er zu ihr gekommen war – gleich vereinigten sich hinter seinem Rücken der Oberkellner und der Oberportier zu lebhaftem Gespräch –, umfaßte sie ihn mit der linken Hand, ging mit ihm und der willenlos folgenden Therese in die Tiefe des Zimmers und dort mit beiden einigemal auf und ab, wobei sie sagte: »Es ist möglich, Karl, und darauf scheinst du zu vertrauen, sonst würde ich dich überhaupt nicht verstehen, daß eine Untersuchung dir in einzelnen Kleinigkeiten recht geben wird. Warum denn nicht? Du hast vielleicht tatsächlich den Oberportier gegrüßt. Ich glaube es sogar bestimmt, ich weiß auch, was ich von dem Oberportier zu halten habe, du siehst, ich rede selbst jetzt noch offen zu dir.
    Aber solche kleine Rechtfertigungen helfen dir gar nichts. Der Oberkellner, dessen Menschenkenntnis ich im Laufe vieler Jahre zu schätzen gelernt habe, und welcher der verläßlichste Mensch ist, den ich überhaupt kenne, hat deine Schuld klar
    ausgesprochen, und die scheint mir allerdings unwiderleglich.
    Vielleicht hast du bloß unüberlegt gehandelt, vielleicht aber bist du nicht der; für den ich dich gehalten habe. Und doch«, damit unterbrach sie sich gewissermaßen selbst und sah flüchtig nach den beiden Herren zurück, »kann ich es mir noch nicht
    abgewöhnen, dich für einen im Grunde anständigen Jungen zu halten.«
    »Frau Oberköchin! Frau Oberköchin!« mahnte der
    Oberkellner, der ihren Blick aufgefangen hatte.
    »Wir sind gleich fertig«, sagte die Oberköchin und redete nun schneller auf Karl ein: »Höre, Karl, so wie ich die Sache übersehe, bin ich noch froh, daß der Oberkellner keine
    Untersuchung einleiten will; denn, wollte er sie einleiten, ich müßte es in deinem Interesse verhindern. Niemand soll
    erfahren, wie und womit du den Mann bewirtet hast, der
    übrigens nicht einer deiner früheren Kameraden gewesen sein kann, wie du vorgibst, denn mit denen hast du ja zum Abschied großen Streit gehabt, so daß du nicht jetzt einen von ihnen traktieren wirst. Es kann also nur ein Bekannter sein, mit dem du dich leichtsinnigerweise in der Nacht in irgendeiner städtischen Kneipe verbrüdert hast. Wie konntest du mir, Karl, alle diese Dinge verbergen? Wenn es dir im Schlafsaal vielleicht
    unerträglich war und du zuerst aus diesem unschuldigen Grunde mit deinem Nachtschwärmen angefangen hast, warum hast du
    denn kein Wort gesagt, du weißt, ich wollte dir ein eigenes Zimmer verschaffen und habe darauf geradezu erst über deine Bitten verzichtet. Es scheint jetzt, als hättest du den allgemeinen Schlafsaal vorgezogen, weil du dich dort ungebundener fühltest.
    Und dein Geld hattest du doch in meiner Kassa aufgehoben, und die Trinkgelder brachtest du mir jede Woche; woher, um Gottes willen, Junge, hast du das Geld für deine Vergnügungen
    genommen und woher wolltest du jetzt das Geld für deinen
    Freund holen? Das sind natürlich lauter Dinge, die ich
    wenigstens jetzt dem Oberkellner gar nicht andeuten darf, denn dann wäre vielleicht eine Untersuchung unausweichlich. Du mußt also unbedingt aus dem Hotel, und zwar so schnell als möglich.
    Geh direkt in die Pension Brenner – du warst doch schon
    mehrmals mit Therese dort –, sie werden dich auf diese
    Empfehlung hin umsonst aufnehmen - « und die Oberköchin
    schrieb mit einem goldenen Crayon, den sie aus der Bluse zog, einige Zeilen auf eine Visitenkarte, wobei sie aber die Rede nicht unterbrach – »deinen Koffer werde ich dir gleich nachschicken.
    Therese, lauf doch in die Garderobe

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