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Amerika

Amerika

Titel: Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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einige
    Monate liegen müssen, und das will ich dir gleich sagen, ich habe niemanden anderen als dich, der mich pflegen könnte, Delamarche ist ja viel zu ungeduldig. Roßmann, Roßmannchen!«
    Und Robinson streckte die Hand nach dem ein wenig
    zurücktretenden Karl aus, um ihn durch Streicheln für sich zu gewinnen.
    »Warum habe ich dich nur besuchen müssen!« wiederholte er mehrere Male, um Karl die Mitschuld nicht vergessen zu lassen, die dieser an seinem Unglück hatte.
    Nun erkannte zwar Karl sofort, daß das Klagen Robinsons
    nicht von seinen Wunden, sondern von dem ungeheueren
    Katzenjammer stammte, in dem er sich befand, da er, in
    schwerer Trunkenheit kaum eingeschlafen, gleich geweckt und zu seiner Überraschung blutig geboxt worden war und sich in der wachen Welt gar nicht mehr zurechtfinden konnte. Die
    Bedeutungslosigkeit der Wunden war schon an den
    unförmlichen, aus alten Fetzen bestehenden Verbänden zu
    sehen, mit denen ihn die Liftjungen offenbar zum Spaß ganz und gar umwickelt hatten. Und auch die zwei Liftjungen an den Enden der Bahre prusteten vor Lachen von Zeit zu Zeit. Nun war aber hier nicht der Ort, Robinson zur Besinnung zu bringen, denn stürmend eilten hier die Passanten, ohne sich um die Gruppe an der Bahre zu kümmern, vorbei, öfters sprangen Leute mit richtigem Turnerschwung über Robinson hinweg, der mit Karls Geld bezahlte Chauffeur rief: »Vorwärts, vorwärts!« Die Liftjungen hoben mit letzter Kraft die Bahre auf, Robinson erfaßte Karls Hand und sagte schmeichelnd: »Nun komm, so
    komm doch.« War nicht Karl in dem Aufzug, in dem er sich
    befand, im Dunkel des Automobils noch am besten aufgehoben?
    Und so setzte er sich neben Robinson, der den Kopf an ihn lehnte. Die zurückbleibenden Liftjungen schüttelten ihm, als ihrem gewesenen Kollegen, durch das Coupéfenster herzlich die Hand, und das Automobil drehte sich mit scharfer Wendung zur Straße hin. Es schien, als müsse unbedingt ein Unglück
    geschehen, aber gleich nahm der alles umfassende Verkehr auch die schnurgerade Fahrt dieses Automobils ruhig in sich auf.

    Ein Asyl
    Es mußte wohl eine entlegene Vorstadtstraße sein, in der das Automobil haltmachte, denn ringsherum herrschte Stille, am Trottoirrand hockten Kinder und spielten. Ein Mann mit einer Menge alter Kleider über den Schultern rief beobachtend zu den Fenstern der Häuser empor. In seiner Müdigkeit fühlte sich Karl unbehaglich, als er aus dem Automobil auf den Asphalt trat, den die Vormittagssonne warm und hell beschien.
    »Wohnst du wirklich hier?« rief er ins Automobil hinein.
    Robinson, der während der ganzen Fahrt friedlich geschlafen hatte, brummte irgendeine undeutliche Bejahung und schien darauf zu warten, daß Karl ihn hinaustragen werde.
    »Dann habe ich hier also nichts mehr zu tun. Leb wohl«,
    sagte Karl und machte sich daran, die ein wenig sich senkende Straße abwärts zu gehen.
    »Aber Karl, was fällt dir denn ein?« rief Robinson und stand schon vor lauter Sorge ziemlich aufrecht, nur mit noch etwas unruhigen Knien, im Wagen.
    »Ich muß doch gehen«, sagte Karl, der der raschen
    Gesundung Robinsons zugesehen hatte.
    »In Hemdärmeln?« fragte dieser.
    »Ich werde mir schon noch einen Rock verdienen«,
    antwortete Karl, nickte Robinson zuversichtlich zu, grüßte mit erhobener Hand und wäre wirklich fortgegangen, wenn nicht der Chauffeur gerufen hätte: »Noch einen kleinen Augenblick
    Geduld, mein Herr!«
    Es zeigte sich unangenehmerweise, daß der Chauffeur noch
    Ansprüche auf eine nachträgliche Bezahlung stellte, denn die Wartezeit vor dem Hotel war noch nicht bezahlt.
    »Nun ja«, rief aus dem Automobil Robinson in Bestätigung
    der Richtigkeit dieser Forderung, »ich habe ja dort so lange auf dich warten müssen. Etwas mußt du ihm noch geben.«
    »Ja, freilich«, sagte der Chauffeur.
    »Ja, wenn ich nur noch etwas hätte«, sagte Karl und griff in die Hosentaschen, obwohl er wußte, daß es nutzlos war.
    »Ich kann mich nur an Sie halten«, sagte der Chauffeur und stellte sich breitbeinig auf, »von dem kranken Mann dort kann ich nichts verlangen.«
    Vom Tor her näherte sich ein junger Bursch mit zerfressener Nase und hörte aus einer Entfernung von einigen Schritten zu.
    Gerade machte durch die Straße ein Polizeimann die Runde, faßte mit gesenktem Gesicht den hemdärmeligen Menschen ins Auge und blieb stehen.
    Robinson, der den Polizeimann auch bemerkt hatte, machte
    die Dummheit, aus dem anderen Fenster ihm zuzurufen:

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