Amerika
nicht dafür, besondere Anweisungen deinetwegen ergehen zu lassen.
Aber da du nun einmal hier bist, will ich dich genießen. Im übrigen habe ich nicht daran gezweifelt, daß du das Rendezvous, das wir uns beim Haupttor gegeben hatten, auch einhalten wirst, denn das ist eine Regel, daß der Freche und der Unfolgsame gerade dort und dann mit seinen Lastern aufhört, wo es ihm schadet. Du wirst das an dir selbst gewiß noch oft beobachten können.«
»Glauben Sie nicht«, sagte Karl und atmete den eigentümlich dumpfen Geruch ein, der vom Oberportier ausging, und den er erst hier, wo er so lange in seiner nächsten Nähe stand,
bemerkte, »glauben Sie nicht«, sagte er, »daß ich vollständig in Ihrer Gewalt bin, ich kann ja schreien.«
»Und ich kann dir den Mund stopfen«, sagte der Oberportier ebenso ruhig und schnell, wie er es wohl nötigenfalls
auszuführen gedachte.
»Und meinst du denn wirklich, wenn man deinetwegen
hereinkommen sollte, es würde sich jemand finden, der dir recht geben würde, mir, dem Oberportier gegenüber? Du siehst also wohl den Unsinn deiner Hoffnungen ein. Weißt du, wie du noch in der Uniform warst, da hast du ja tatsächlich noch ein wenig beachtenswert ausgesehen, aber in diesem Anzug, der
tatsächlich nur in Europa möglich ist! –« Und er zerrte an den verschiedensten Stellen des Anzuges, der jetzt allerdings, obwohl er vor fünf Monaten noch fast neu gewesen war,
abgenützt, faltig, vor allem aber dreckig war, was hauptsächlich auf die Rücksichtslosigkeit der Liftjungen zurückzufahren war, die jeden Tag, um den Saalboden dem allgemeinen Befehl
gemäß glatt und staubfrei zu erhalten, aus Faulheit keine eigentliche Reinigung vornahmen, sondern mit irgendeinem Öl den Boden besprengten und damit gleichzeitig alle Kleider auf den Kleiderständern schändlich bespritzten. Nun konnte man seine Kleider aufheben, wo man wollte, immer fand sich einer, der gerade seine Kleider nicht bei der Hand hatte, dagegen die versteckten fremden Kleider mit Leichtigkeit fand und sich ausborgte. Und womöglich war dieser eine gerade derjenige, der an diesem Tage die Saalreinigung vorzunehmen hatte und der dann die Kleider nicht nur mit dem Öl bespritzte, sondern vollständig von oben bis unten begoß. Nur Renell hatte seine kostbaren Kleider an irgendeinem geheimen Orte versteckt, von wo sie kaum jemals einer hervorgezogen hatte, zumal sich ja auch niemand vielleicht aus Bosheit oder Geiz fremde Kleider ausborgte, sondern aus bloßer Eile und Nachlässigkeit dort nahm, wo er sie fand. Aber selbst auf Renells Kleid war mitten auf dem Rücken ein kreisrunder, rötlicher Ölfleck, und in der Stadt hätte ein Kenner an diesem Fleck selbst in diesem
eleganten jungen Mann den Liftjungen feststellen können.
Und Karl sagte sich bei diesen Erinnerungen, daß er auch als Liftjunge genug gelitten hatte und daß doch alles vergebens gewesen war, denn nun war dieser Liftjungendienst nicht, wie er gehofft hatte, eine Vorstufe zu besserer Anstellung gewesen, vielmehr war er jetzt noch tiefer hinabgedrückt worden und sogar sehr nahe an das Gefängnis geraten. Überdies wurde er jetzt noch vom Oberportier festgehalten, der wohl darüber nachdachte, wie er Karl noch weiter beschämen könne. Und, völlig vergessend, daß der Oberportier durchaus nicht der Mann war, der sich vielleicht überzeugen ließ, rief Karl, während er sich mit der gerade freien Hand mehrmals gegen die Stirn
schlug: »Und wenn ich Sie wirklich nicht gegrüßt haben sollte, wie kann denn ein erwachsener Mensch wegen eines
unterlassenen Grußes so rachsüchtig werden!«
»Ich bin nicht rachsüchtig«, sagte der Oberportier, »ich will nur deine Taschen durchsuchen. Ich bin zwar überzeugt, daß ich nichts finden werde, denn du wirst wohl vorsichtig gewesen sein und hast wohl deinen Freund allmählich alles, jeden Tag etwas, wegschleppen lassen. Aber durchsucht worden mußt du sein.«
Und schon griff er in die eine von Karls Rocktaschen mit solcher Gewalt, daß die seitlichen Nähte platzten.
»Da ist also schon nichts«, sagte er und überklaubte in seiner Hand den Inhalt dieser Tasche, einen Reklamekalender des
Hotels, ein Blatt mit einer Aufgabe aus kaufmännischer
Korrespondenz, einige Rock- und Hosenknöpfe, die Visitenkarte der Oberköchin, einen Polierstift für die Nägel, den ihm einmal ein Gast beim Kofferpacken zugeworfen hatte, einen alten
Taschenspiegel, den ihm Renell einmal zum Dank für vielleicht zehn
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